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02.08.07 Porphyrinoid wechselt zwischen Hückel- und Möbius-Topologie

Molekül mit gespaltener Persönlichkeit

Porphyrinoid wechselt zwischen Hückel- und Möbius-Topologie hin und her

Abb. 1: DFT-optimierte Geometrie der Hückel und Möbius-Konformere
Quelle: Angew. Chem.

Man nehme einen Streifen Papier, drehe ein Ende um 180° und klebe dann die beiden Enden zum Ring zusammen. Fertig ist ein so genanntes Möbius-Band – eine geometrische Figur mit nur einer Oberfläche und einer Kante. Den Beweis hat man, wenn man mit einem Stift einen Strich entlang des Streifens macht: Ohne Abzusetzen erreicht man am Schluss wieder den Ausgangspunkt – und hat dabei das komplette Band markiert, an jeder Stelle tragen Ober- und Unterseite einen Strich. Auch ringförmige aromatische Moleküle können eine Topologie wie ein Möbius-Band, mit nur einer Seite, haben. Polnische Forscher um Lechosław Latos-Grażyński haben nun einen großen Porphyrin-ähnlichen Ring geschaffen, der etwas kann, was das Papier-Analogon nicht kann: das neue Molekül kann zwischen der einseitigen Möbius-Topologie und dem „normalen“ zweiseitigen Zustand (Hückel-Topologie) hin und her wechseln – und das, ohne den Ring zu öffnen.

Ein Aromat ist ein annähernd planarer Ring (oder Ringsystem) mit bindenden, aber dennoch frei beweglichen Elektronen(paaren) aus Doppelbindungen. Diese so genannten π-Elektronen bilden eine Art „Elektronenwolke“ mit einem Anteil oberhalb und einem Anteil unterhalb der Ringebene. Dies entspricht der klassischen Hückel-Topologie. Auch Ringe, die so in sich gedreht sind, dass sie sich in Form einer Acht anordnen, können diese Topologie aufweisen.

Ist das Ringsystem um 180° verdrillt, erhält man eine Möbius-Topologie, es gibt keine Unterscheidung zwischen einer oberen und einer unteren „Elektronenwolke“ mehr. Wie beim Bleistiftstrich auf dem Möbius-Band gehen die beiden Wolken ineinander über, denn es gibt nur eine einzige durchgehende Oberfläche.

Die Forscher haben nun einen großen molekularen Ring synthetisiert, der zur Klasse der expandierten Porphyrin-Analoga zählt und etwas kann, was beim zusammengeklebten Papierstreifen nicht funktioniert: Ohne dass sich eine Bindung des in Form einer Acht vorliegenden Ringsystems öffnen muss, kann es zwischen der Hückel- und der Möbius-Topologie hin und her wechseln. Auch die Acht-Form bleibt erhalten. Geheimnis dieses „persönlichkeitsgespaltenen“ Moleküls sind zwei aromatische Sechsringe, die in dem großen Ringsystem einander genau gegenüber liegen und den Kreuzungspunkt der Acht bilden. Diese beiden frei drehbaren Sechsringe können entweder flach aufeinander liegen, ihre Ebenen also parallel zueinander anordnen, oder einer der beiden Ringe dreht sich um 90°, sodass ihre Ebenen senkrecht zueinander stehen. Bei der parallelen Anordnung gibt es eine klare Trennung der π-Elektronenwolken in einen „oberen“ und einen „unteren“ Anteil gemäß der Hückel-Topologie – eine Lösung der Verbindung ist grün gefärbt. Die senkrechte ist die Möbius-Variante und erscheint blau. Der verdrehte Sechsring ist es, der hier die nötige Verdrillung erzeugt und obere und untere Elektronenwolke ineinander übergehen lässt. Welche Topologie das Molekül bevorzugt, hängt von der Art des Lösungsmittels und von der Temperatur ab.

Quelle:

Expanded Porphyrin with a Split Personality: A Hückel-Möbius Aromaticity Switch
Lechoslaw Latos-Grazynski et al., Angew. Chem. 2007. DOI: 10.1002/ange.200700555

Bitte zitieren Sie die Seite wie folgt:

Porphyrinoid wechselt zwischen Hückel- und Möbius-Topologie
(URL: https://www.organische-chemie.ch/chemie/2007aug/moebius.shtm)

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