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27.07.07 Enzymatischer Abbau von Erdöl

Molekulare Zündkerzen machen Erdöl genießbar

Helmholtz-Forscher klären Molekülstruktur auf, die Bakterien den Erdölabbau ermöglicht

Zum Glück bauen manche Bakterien Erdöl ab. Ohne ihre Verdauungsarbeit würden die Folgen von Tanker-Unglücken niemals verschwinden: Unsere Meere wären von Ölteppichen bedeckt. Die Struktur einiger Eiweißverbindungen, die es den Bakterien ermöglichen, die Kohlenstoffketten des Erdöls zu knacken, haben jetzt Forscher des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig aufgeklärt.

Abb. 1: Der Elektronen-Transfer Komplex zwischen Rubredoxin Reduktase (gelbes Bändermodell) und Rubredoxin (rotes Schlaufenmodell) aus dem Bakterium Pseudomonas aeruginosa. Elektronen aus dem Stoffwechsel der Bakterien werden in Form des Kofaktors NADH (grünes Kugel-Stab Modell; Kugeln entsprechen einzelnen Atomen) auf die Rubredoxin Reduktase übertragen. Über den zweiten Kofaktor FAD (blaues Kugel-Stab Modell) wird jeweils ein Elektron auf ein an Rubredoxin gebundenes Eisen-Atom (rostrote Kugel) übertragen. Nach der Übertragung zerfällt der Komplex, und Rubredoxin liefert das Elektron an die Alkan(Erdöl)-spaltenden Enzyme von Pseudomonas aeruginosa
Quelle: HZI

Erdöl ist äußerst widerstandsfähig. Und obwohl es - zu Diesel oder Benzin verarbeitet - der Energieträger Nr.1 der Welt ist, ist zunächst Energie erforderlich, um seine chemisch trägen, sehr langen Kohlenstoffketten überhaupt angreifen zu können. Erst wenn der Zündfunke im Motorraum überspringt, setzt der Treibstoff seine Energie frei. Und auch Bakterien müssen diese energetische Hürde nehmen, um Erdöl oder auch Diesel als Nahrungsquelle nutzen zu können. Die Bakterien haben jedoch keine eingebauten Zündkerzen, mit denen sie die Kohlenwasserstoffe entzünden und so die Energie frei setzen könnten - ganz abgesehen davon, dass sie die Explosion, die dem Zündblitz folgt, nicht überleben würden. Sie gehen viel subtiler vor: Sie aktivieren die trägen Moleküle im ersten Schritt durch den Einbau von Sauerstoff. Die langen Ketten werden so angreifbar und damit für die Bakterien leichter verdaulich. Die Energie wird gewissermaßen häppchenweise freigesetzt.

"Wir wollten herausfinden, wie die Moleküle aussehen, die sozusagen den Strom für diesen Prozess liefern", beschreibt Wolf-Dieter Schubert die Aufgabe, die sich seine Gruppe gestellt hat. Dazu untersuchten die Forscher diesen Vorgang am Bakterium Pseudomonas aeruginosa. Gregor Hagelüken, Doktorand in Schuberts Arbeitsgruppe, nahm die molekulare Stromversorgung von Pseudomonas genau unter die Lupe: "Wir wussten, dass es die beiden Proteine Rubredoxin und Rubredoxin-Reduktase sind, die die Energie für diesen Prozess liefern und Pseudomonas damit zum Erdöl-Fresser machen. Uns ist es gelungen, beide Proteine gemeinsam zu kristallisieren und ihre atomare Struktur im Detail aufzuklären. Jetzt können wir genau erklären, wie Pseudomonas Energie in Form von Elektronen aus seinen normalen Stoffwechselwegen abzweigt - um damit Erdölbestandteile vor der Verdauung zu aktivieren."

"Pseudomonas aeruginosa ist ein zweischneidiges Schwert," sagt Wolf-Dieter Schubert, "einerseits ist das Bakterium ein wertvoller Verbündeter, wenn es darum geht, vom Menschen verursachte Umweltschäden zu reparieren, andererseits ist es gleichzeitig ein gefährlicher Krankheitserreger, der chronische Infektionen beim Menschen verursachen kann."

Quelle:

Crystal structure of the electron transfer complex rubredoxin-rubredoxin reductase of Pseudomonas aeruginosa
G. Hagelueken, L. Wiehlmann, T. M. Adams, H. Kolmar, D. W. Heinz , B. Tümmler, W.-D. Schubert, PNAS 2007. DOI: 10.1073/pnas.0702919104

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Enzymatischer Abbau von Erdöl
(URL: https://www.organische-chemie.ch/chemie/2007jul/erdoel.shtm)

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