16.04.08 Atmosphärenchemie über Regenwälder
Unberührter Regenwald reinigt die Atmosphäre
Natürliche chemische Prozesse regenerieren Hydroxylradikale, die verunreinigende Gase aus der Luft entfernen
Dass die Tropen die Atmosphäre reinigen und das Klima regeln, ist schon lange bekannt. Doch nach welchen Mechanismen funktioniert dies? Um die Atmosphärenchemie über dem Regenwald Amazoniens genauer zu untersuchen, haben Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie im Oktober 2005 ein Forschungsflugzeug eingesetzt und zusätzlich Messungen in der Bodenstation Brownsberg in Surinam durchgeführt. Die jetzt publizierten Ergebnisse verblüffen die Wissenschaftler: Denn die Reinigungskraft der natürlichen Atmosphäre ist viel größer als bisher angenommen.
Abb. 1: Der Amazonasregenwald, aufgenommen von der Bodenstation in Brownsberg/Surinam
Quelle: Max-Planck-Institut für Chemie
Die Messkampagne fand größtenteils über unberührtem Regenwald statt, in dem
lokale Emissionen, die von den Menschen verursacht werden, vernachlässigbar
gering sind. Die Flugdaten zeigten eine bemerkenswert hohe Konzentration von
Hydroxylradikalen. Diese äußerst reaktiven Moleküle entfernen verunreinigende
Gase aus der Atmosphäre. Computermodelle beruhten bislang darauf, dass der
Regenwald große Mengen an Kohlenwasserstoffgasen freisetzt, die diese
Hydroxylradikale verbrauchen und dadurch die Reinigungskraft der Atmosphäre
vermindern. Die jetzt durchgeführten Messungen bestätigen, dass der Regenwald
tatsächlich eine gewaltige Kohlenwasserstoffquelle ist, zeigen jedoch auch, dass
natürliche chemische Prozesse die Hydroxylradikale - das "Reinigungsmittel" der
Atmosphäre - regenerieren.
Um diese komplexe Kohlenwasserstoffchemie besser zu verstehen, führten
Atmosphärenforscher um Jos Lelieveld zusätzlich Laboruntersuchungen im
Max-Planck-Institut in Mainz und eingehende Computermodellrechnungen auf einem
Supercomputer des Max-Planck-Rechenzentrums in Garching durch. Mithilfe der
neuen Ergebnisse können sie nun erklären, wie die Atmosphäre ihren
Reinigungsmechanismus über geologische Zeiträume hinweg aufrechterhalten konnte,
insbesondere auch während Wärmeperioden, als die Vegetation der Erde noch viel
üppiger war als heute.
Pflanzen und Bäume emittieren jährlich mehr als eine Gigatonne flüchtiger
organischer Verbindungen. Davon sind etwa 40 Prozent Isopren. Diese gasförmige
chemische Verbindung, die zu den Terpenen zählt, schützt die Pflanzen vermutlich
vor dem Austrocknen. Die Menge an Kohlenwasserstoffen, die von Pflanzen stammt,
übersteigt um ein Vielfaches die Menge, die von anthropogenen Quellen herrührt.
Die Max-Planck-Forscher nehmen an, dass in unberührter Atmosphäre die natürliche
Oxidation des Isoprens Hydroxylradikale sehr effizient recycelt. "Die gemessene
hohe Hydroxylkonzentration lässt sich mit einer Recycling-Effizienz von 40 bis
80 Prozent erklären", so Lelieveld. In verschmutzter Luft mit höheren Gehalten
an Stickoxiden führt diese Oxidation dagegen zum photochemischen Smog unter
Bildung von Ozon und anderen Schadstoffen.
Die Ergebnisse geben somit auch Anlass zur Beunruhigung: Da die Zerstörung des
Ökosystems durch die Abholzung des Amazonasregenwaldes und die
landwirtschaftliche, städtische und industrielle Entwicklung in den Tropen
weiter fortschreitet, verändert dies auch die äußerst wirksame natürliche
Selbstreinigungskraft der Luft, die Verunreinigungen steigen und tragen damit
zum Klimawandel bei. "Ohne den Einfluss des Menschen jedoch hält der Wald in
bemerkenswerter Weise das Gleichgewicht mit seiner atmosphärischen Umgebung
aufrecht", ist der Max-Planck-Wissenschaftler überzeugt.
Quelle:
Atmospheric oxidation capacity sustained by a tropical forest
J. Lelieveld, T. M. Butler, J. N. Crowley, T. J. Dillon, H. Fischer, L. Ganzeveld, H. Harder, M. G. Lawrence, M. Martinez, D. Taraborrelli, J. Williams, Nature 2008, 452, 737. DOI:
10.1038/nature06870
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Atmosphärenchemie über Regenwälder
(URL: https://www.organische-chemie.ch/chemie/2008apr/regenwald.shtm)
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