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17.06.10 Chemische Informationstechnologie mit Zündschnüren

Lange Lunte

Kommunikation per Chemie: „Zündschnüre“ zeigen Informationen über Stunden lang an

Abb. 1: "Infozündschnüre" - chemische Systeme für die nichtelektronische Kommunikation, die als Lichtpulse codierte alphanumerische Information übertragen (siehe Bild) - können nun ohne Verlöschen über Stunden arbeiten. Damit rückt die praktische Anwendung solcher Systeme in der Infochemie , der Kombination aus Chemie und Informationsverarbeitung, näher.
Quelle: Angewandte Chemie

Unsere heutige Informationsübertragung läuft elektronisch, die zukünftige soll auf Photonen basieren. Das sind aber nicht die einzigen Alternativen. Auch mithilfe chemischer Reaktionen lassen sich Informationen übertragen. George M. Whitesides und seine Kollegen von der Harvard University (Cambridge, USA) haben ein Konzept entwickelt, mit dem sich alphanumerische Informationen per „Infozündschnur“ stromlos in Form von Lichtpulsen übermitteln lassen. Wie die Forscher in der Zeitschrift Angewandte Chemie berichten, könnte man auf dieser Basis Systeme entwickeln, die auch unter Bedingungen arbeiten, in denen Elektronik oder Batterien nicht mehr funktionieren.

Bereits zuvor hatte die Arbeitsgruppe eine so genannte Infozündschnur entwickelt, die aus Nitrocellulose-Streifen besteht. Darauf werden Muster aus Punkten aufgetragen, die Salze der Elemente Lithium, Rubidium und Cäsium enthalten. Wird der Streifen angezündet, schreitet die Flammenfront voran und erreicht die Punkte nach und nach. Durch die Hitze senden die Elemente Licht einer für sie charakteristischen Wellenlänge aus. In den Punkten können die drei verschiedenen Salze beliebig kombiniert sein, so dass sieben Kombinationsmöglichkeiten entstehen. Eine Kombination aus zwei Pünktchen eröffnet somit 7x7 = 49 verschiedene Signale.

Das Problem war, dass die Flamme zum Verlöschen neigte. Dies lässt sich verhindern, indem ein anderes Material als Unterlage genommen wird, das die Hitze nicht so gut ableitet, z.B. Fiberglas. Alternativ können die Streifchen über einem „Graben“ anordnet oder geknickt werden. Sie liegen dann nicht mehr flach auf und können so weniger Wärme auf die Unterlage übertragen.

Ein anderes Problem war, dass die Flammenfront viel zu rasch voran schreitet, so dass nur eine kurze Übertragungsdauer möglich ist. Bei Nitrocellulosestreifen brennen mehrere Zentimeter pro Sekunde weg. Whitesides: „Eine 2,6 km lange Zündschnur wäre nötig, um 24 h zu senden.“ Die Lösung war eine Anordnung der zwei Geschwindigkeiten. Eine langsam brennende Zündschnur wird mit einzelnen Seitenarmen aus den eigentlichen, schnell brennenden Infostreifchen bestückt. Ihr Abstand kann entsprechend den Anforderungen gewählt werden. Die Flammenfront wandert dann nur 1 bis 2 m pro Stunde. So lassen sich Informationen wiederholen oder auch Nachrichten periodisch übermitteln.

Eine Farb-Kamera oder Faseroptik, die an ein Spektrometer gekoppelt ist, könnte das Signal noch in 30 m Entfernung unter Tageslicht empfangen. „Wir hoffen, dass sich ein leichtes, tragbares, stromunabhängiges System zur Informationsübertragung entwickeln lässt, das in eine moderne Informationstechnologie integriert werden kann“, so Whitesides. „Es könnte z.B. Umweltdaten erfassen und weitergeben oder zur Aussendung von Botschaften im Rettungswesen genutzt werden.“

Quelle:

Long-Duration Transmission of Information with Infofuses
C. Kim, et. al., Angew. Chem. 2010. DOI: 10.1002/ange.201001582

Bitte zitieren Sie die Seite wie folgt:

Chemische Informationstechnologie mit Zündschnüren
(URL: https://www.organische-chemie.ch/chemie/2010/jun/lunte.shtm)

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