16.11.10 Modell für die Biomineralisation von Hydroxylapatit entwickelt
Auf der Spur des Knochenminerals
Forscher aus Eindhoven, Jena und Erlangen untersuchen Knochenbildungsprozesse
Kalziumphosphat ist im Skelett eines der wertvollsten Materialien: Als Hauptbestandteil von Zähnen und Knochen sorgt es für Härte und Stabilität. Bei Arteriosklerose jedoch ist die Ablagerung der kristallinen ionischen Verbindung aus Kalk, Phosphor und Sauerstoff ein ebenso gewichtiger wie verhängnisvoller Faktor. Wissenschaftlich ist noch nicht vollständig geklärt, wie sich dieses Mineral - auch bekannt als Hydroxylapatit - im Körper bildet. Beobachtungen dazu gelangen einer niederländisch-deutschen Forschergruppe in einem Modellsystem, das eine Körperflüssigkeit simuliert.
Abb. 1: Cryo-TEM hilft, den Knochenbildungsprozess zu genau
festgelegten Zeitpunkten in Bildern festzuhalten (oben). Computer-Aided-Design kann den Prozess dreidimensional visualisieren (unten).
Quelle: Nico A. J. M. Sommerdijk, Eindhoven University of Technology
Bereits zuvor wurde davon ausgegangen, dass Kalziumphosphat zunächst eine Vorstufe durchläuft, gekennzeichnet durch eine ungeordnete Struktur, die der Mineralisierung vorangeht (amorphes Kalziumphosphat, ACP). Die nun veröffentlichte Arbeit visualisiert zum ersten Mal die Bildung von Kalziumphosphat aus einem Serum.
Ein Monolayer - eine Schicht von der Dicke eines einzigen Moleküls - fungierte dabei als Andockstelle für die Kristallisation. Sichtbar wurde der Prozess durch den Einsatz eines höchstauflösenden Mikroskops für die direkte Abbildung von Objekten mittels Elektronenstrahlen (Transmissionselektronenmikroskopie, TEM). Mit dem Eindhovener Cryo-TEM konnte das Wachstum der Kalziumphosphate zu definierten Zeitpunkten in flüssigem Ethan eingefroren und in verschiedenen Entwicklungsstadien beobachtet werden. Mit den neuen Erkenntnissen gelang es, 30 Jahre alte Theorien zur Bildung von Kalziumphosphaten aus wässrigen Systemen nun auch praktisch zu beweisen.
So weiß man nun definitiv, dass 1 nm große Nukleationsvorstufen der Kalziumphosphate, sogenannte Posner-Cluster, in der Lösung schwimmen, ohne zu mineralisieren. Die besondere Zusammensetzung der physiologischen Lösung stabilisiert sie. Wenn man aber eine geeignete Oberfläche anbietet, beginnen sie sich dort zusammenzulagern, bilden ab einer bestimmten Größe amorphe Strukturen (ACP) und kristallisieren schließlich im typischen Gitter ausgerichteter Apatit-Kristalle zum Kalziumphosphat-Mineral, die dem gerichteten Knochenwachstum entspricht.
„Diese neuesten Ergebnisse sind praktisch der letzte Baustein eines
Forschungsprojekts, in dem wir uns mit der biomimetischen Herstellung von Apatit
beschäftigt haben“, erklärt Prof. Müller von der Universität Jena. „Man konnte
Hydroxylapatit zwar bereits vorher künstlich produzieren, allerdings hatte er
dann nicht alle Eigenschaften des natürlichen Knochenminerals. So ist
beispielsweise die für Knochenumbauprozesse wichtige Löslichkeit in
synthetischem Hydroxylapatit niedriger als im natürlichen Knochen. Uns ist
es gelungen, biomimetischen Apatit herzustellen, der in seiner Zusammensetzung
und Wachstumsorientierung genau dem im Knochen vorliegenden Apatit entspricht.“
Mit den neuen Erkenntnissen ist es möglich, die Entwicklung innovativer
Materialien für die Knochenregeneration voranzutreiben und ihre Bioakzeptanz zu
verbessern. Außerdem unterstützen sie die Suche nach neuen Wirkstoffen gegen
pathologische Kalzifizierungen - also Erkrankungen, die mit einer ungewollten
Verknöcherung einhergehen.
Quelle:
The role of prenucleation clusters in surface-induced calcium phosphate crystallization
A. Dey1, et. al., Nat. Mat. 2010. DOI:
10.1038/NMAT2900
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Modell für die Biomineralisation von
Hydroxylapatit entwickelt
(URL: https://www.organische-chemie.ch/chemie/2010/nov/knochenbildung.shtm)
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