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12.08.12 Konformationsstabile, cyclische Pepdide am CXCR4-Chemokin-Rezeptor

CXCR4-Inhibitor als Wirkstoffkandidat gegen HIV

Rationales Wirkstoffdesign zeigt unerwartet grossen Effekt

Im Kampf gegen AIDS haben Wissenschaftler einen neuen viel versprechenden Therapieansatz gefunden – mit denkbar einfachen Mitteln. Obwohl sie die Form eines bereits bekannten synthetischen Anti-HIV-Moleküls nur leicht veränderten, erzielten sie eine große Wirkung: Das neue Mini-Protein dockt besser an CXCR4-Rezeptoren auf der Oberfläche von Immunzellen an, einem bevorzugten Angriffspunkt für häufig vorkommende HIV-Varianten. Damit ist dem Aids-Erreger der Eintritt in die Zellen verwehrt, die Viren können sich nicht weiter im Organismus ausbreiten.

CXCR4-Inhibitor

Abb. 1: Simulation der möglichen Lage eines cyclischen Petidwirkstoffes in der Kristallstruktur von CXCR4
Quelle: Angew. Chem. Int. Ed. - mit freundlicher Genehmigung

Die unterschiedlichen Erreger des HIV-1-Virenstammes verschaffen sich Zugang zu den Immunzellen, indem sie an die Zell-Rezeptoren CCR5 oder CXCR4 andocken. An diese Bindungsstellen heften sich üblicherweise Chemokine - körpereigene Botenstoffe. Während es bereits ein CCR5-spezifisches HIV-Medikament gibt, ist für CXCR4 bisher kein Arzneimittel zugelassen. Da das neue, ringförmige Peptid – ein Mini-Protein – den CXCR4-Rezeptor für das Virus blockiert, könnte es sich als ein interessanter Wirkstoff-Kandidat gegen HIV und AIDS erweisen.

Das Forschungsprojekt wurde von Wissenschaftlern vom Lehrstuhl für Pharmazeutische Radiochemie und am Institute for Advanced Study der TUM initiiert und gemeinsam mit Molekularbiologen der Universität Neapel und Virologen des Helmholtz Zentrum München durchgeführt. Die TUM-Wissenschaftler um Prof. Dr. Hans-Jürgen Wester und Prof. Dr. Dr. h.c. Horst Kessler hatten ursprünglich an einem neuen Bildgebungs-Verfahren für Tumore gearbeitet. Dafür nutzten sie ringförmige Proteinschnipsel, die sie veränderten, um ihre spezifische Bindung an den CXCR4-Rezeptor zu erhöhen. Ausgehend von einem seit 2 Jahren bekannten, cyclischen Peptid, das an CXCR4 bindet, und von dem man wusste, dass es in zwei unterschiedlichen Konformationen vorliegt, versuchten die Forscher, durch räumliches Näherrücken von Seitengruppen, eine Konformations-Stabilität zu erreichen. Man erwartete hiermit eine geringe Zunahme der Aktivität. Doch als sie eine Aminosäuren-Seitenkette von einem Kohlenstoff zu einem benachbarten Stickstoff-Atom verschoben, veränderten sie die Grundstruktur des Moleküls nur geringfügig - seine biologischen Eigenschaften dafür umso mehr: Die Bindungsgruppen des Peptids befinden sich jetzt in einer optimalen Stellung, um an den CXCR4-Rezeptor anzudocken. Damit bindet das Peptid 400- bis 1.500-mal besser an CXCR4 als bisher bekannte andere Verbindungen, die derzeit als Wirkstoffe getestet werden.

„Wir freuen uns, dass wir mit unserem neues Peptid-Design einen Wirkstoff entwickelt haben, den wir für die Therapie lebensbedrohender Krankheiten anwenden können“, sagt Prof. Horst Kessler, ein Senior Fellow im TUM Institute for Advanced Study und „Emeritus of Excellence“ in der Fakultät für Chemie. „Das Molekül könnte eine wirksame Waffe gegen besonders aggressive HIV-1-Stämme sein. Diese Viren finden wir häufig bei Patienten, die seit langer Zeit HIV-infiziert sind“, ergänzt Prof. Ruth Brack-Werner, Virologin am Helmholtz Zentrum München. „Verbindungen dieser Art bieten ungeahnte Möglichkeiten für die Entwicklung neuer Medikamente“, erklärt Prof. Hans-Jürgen Wester, Leiter des Lehrstuhls für Pharmazeutische Radiochemie. „Wir warten daher mit großer Spannung auf die ersten präklinischen und klinischen Tests.“

Quelle:

A Conformationally Frozen Peptoid Boosts CXCR4 Affinity and Anti-HIV Activity
O. Demmer, et. al., Angew. Chem. Int. Ed. 2012. DOI: 10.1002/anie.201202090

Bitte zitieren Sie die Seite wie folgt:

Konformationsstabile, cyclische Pepdide am CXCR4-Chemokin-Rezeptor
(URL: https://www.organische-chemie.ch/chemie/2012/aug/cxcr4.shtm)

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