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05.08.12 Simulation der 3D-Struktur einer Tyrosinkinase als Teil einer Zellmembran

Simulation der 3D-Struktur einer Tyrosinkinase innerhalb der Zellmembran

Erkenntnisse können neue Strategien zur gezielten Ansteuerung von Rezeptoren durch pharmazeutische Wirkstoffe ermöglichen

Forschung zur Paarbildung von membranständigen Wachstumshormon-Rezeptoren: Im Rahmen eines Forschungsprojektes des Karlsruher Instituts für Technologie simulierte Anton Polyansky von den Max F. Perutz Laboratories der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien Einblicke in Proteinstrukturen. Aus den daraus gewonnenen Erkenntnissen können neue Strategien zur gezielten Ansteuerung von Rezeptoren durch pharmazeutische Wirkstoffe entwickelt werden.

Tyrosinkinase

Abb. 1: Struktur der dimeren Transmembran-Segmente des Rezeptors für das Blutplättchen-Wachstumshormon (grün), eingebettet in eine Lipidmembran (blau).
Quelle: Anton Polyansky, Department für Strukturbiologie und Computational Biology, Zentrum für Molekulare Biologie, Universität Wien

Jede Zelle steht in ständigem Informationsaustausch mit ihrer Umgebung. Üblicherweise tragen Hormone als molekulare Botenstoffe die entsprechenden Signale von außen an die Zelle heran, z.B. um sie zum Wachsen anzuregen. Membranständige Rezeptoren – d.h. Proteinmoleküle, die die Zellmembran durchspannen – leiten die Information in das Innere der Zelle weiter. Dort wird die Antwort in einer weiteren Reaktionskaskade umgesetzt. Typische Zelloberflächenrezeptoren wie Tyrosinkinasen spielen eine entscheidende Rolle in der Zellentwicklung, Zellteilung, Wundheilung und zellulären Homöostase – dem Gleichgewichtszustand in einer Zelle. Eine fehlerhafte Weiterleitung der Signale kann u.a. zur Krebsentstehung führen. Aus pharmakologischer Sicht bieten diese Rezeptoren einen Hauptangriffspunkt für maßgeschneiderte, pharmazeutische Wirkstoffe.

Computergestützte Strukturberechnungen zur Analyse zellulärer Signal-Prozesse

Über die molekulare Funktionsweise der Tyrosinkinase-Rezeptoren ist bekannt, dass sie sich bei ihrer Aktivierung paarweise zusammen lagern, also dimerisieren. Da dies in der Membran erfolgt, ist es naheliegend, dass auch die umgebenden Lipidmoleküle dabei eine Rolle spielen. Zellmembranen bestehen aus vielen verschiedenen Lipiden, die eine Doppelschicht ausbilden. Aufgrund ihrer heterogenen Zusammensetzung enthält diese nicht nur dünne weiche Regionen, in denen die eingelagerten Proteine frei herum schwimmen können, sondern auch dicke zähflüssige Bereiche, die als Lipid-Flöße bezeichnet werden. In letzteren Mikrodomänen finden viele Signal-Prozesse statt, da sich bestimmte Rezeptoren dort offensichtlich bevorzugt aufhalten. Es ist jedoch nicht bekannt, welchen Einfluss die Membrandicke auf die Fähigkeit zur Dimerisierung hat und ob dadurch die Signalübertragung gesteuert werden kann.

Um die Stabilität der Rezeptoren in verschiedenen Lipiden zu untersuchen und im monomeren und dimeren Zustand miteinander zu vergleichen, müssen ihre dreidimensionalen Strukturen aufgeklärt werden. Die Membran-durchspannenden Protein-Segmente bestehen jeweils nur aus einer α-Helix, die sich jedoch – aufgrund der relevanten Lipidumgebung – nicht mit konventionellen kristallographischen Verfahren untersuchen lassen. Stattdessen müssen moderne spektroskopische Methoden und computergestützte Strukturberechnungen eingesetzt werden.

Claudia Muhle-Goll und Silke Hoffmann vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben in Kooperation mit der Universität Wien aktuell eine Untersuchung über die Rolle der Membrandicke bei der Rezeptor-Dimerisierung durchgeführt. Die dimere Struktur des Transmembran-Segments vom β-Rezeptor des Blutplättchen-Wachstumshormons wurde unter der Leitung von Anne S. Ulrich, Professorin am Institut für Biologische Grenzflächen des KIT, aufgeklärt. Dazu wurden hochauflösende Kernspinresonanz (NMR) und orientierte Festkörper-NMR Messungen in unterschiedlichen Membranumgebungen eingesetzt sowie eine spezielle Form des orientierten Zirkulardichroismus.

Supercomputer ermöglicht Molekulardynamik-Simulationen

Anton Polyansky, Postdoc der Universität Wien, führte im Rahmen dieser Forschungsarbeit Molekulardynamik-Simulationen durch. Mit Hilfe der Supercomputer des Departments für Strukturbiologie und Computational Biology der Universität Wien konnte eine räumliche Darstellung einer in die Lipid-eingebettete Proteinstruktur berechnet werden. So zeigte sich in dicken Floß-ähnlichen Lipiden ein stabiles linksgängig gewundenes Dimer, welches sich jedoch zu neigen beginnt und auseinanderbricht, wenn die Doppelschicht die typische Dünne einer fluiden Zellmembran erreicht. Dieses Verhalten zeigt, dass die Wechselwirkung der Transmembran-Helix mit der Lipidumgebung einen entscheidenden Einfluss auf die Dimerisierung und Rezeptor-Aktivierung ausübt. Mit Hilfe dieser strukturellen Einblicke können nun neue Strategien zur gezielten Ansteuerung von Rezeptoren durch pharmazeutische Wirkstoffe entwickelt werden.

Quelle:

Hydrophobic Matching Controls the Tilt and Stability of the Dimeric Platelet-derived Growth Factor Receptor (PDGFR) β Transmembrane Segment
S. Hoffmann, et. al., J. Biol. Chem. 2012. DOI: 10.1038/ismej.2012.68

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Simulation der 3D-Struktur einer Tyrosinkinase als Teil einer Zellmembran
(URL: https://www.organische-chemie.ch/chemie/2012/aug/tyrosinkinase.shtm)

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