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07.03.12 Analyse von Enzym TobZ gibt Hinweise auf Evolution der Protein-Herstellungs-Maschinerie

Protein-Zeitreise für hallesche Forscher

Ohne es zu ahnen, hat das Team um Biochemiker Milton T. Stubbs eine Zeitreise um mehr als drei Milliarden Jahre zurück gemacht

Ohne es zu ahnen, haben sie eine Zeitreise gemacht, mehr als drei Milliarden Jahre zurück: Der Biochemiker Milton T. Stubbs und sein Team an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg haben innerhalb eines Enzyms eine Reaktion beobachtet, die in ähnlicher Form in allen Organismen anzutreffen ist. Ihre Schlussfolgerung: Es handelt sich um einen Archetyp, den es bereits bei der Entstehung des Lebens gab. Die neuen Erkenntnisse könnten bei der Weiterentwicklung von Antibiotika helfen.

Abb. 1: TobZ carbamoyliert das Antibiotikum Tobramycin unter Bildung von Nebramycin-5′. Dabei katalysiert die YrdC-ähnliche Domäne (blau) die Bildung eines intermediären Carbamoyladenylats, das innerhalb einer tunnelartigen Reaktionskammer zur Kae1-ähnlichen Domäne (braun), dem Ort des Carbamoyltransfers, transferiert wird.
Quelle: Angewandte Chemie - mit freundlicher Genehmigung

Bei ihren Forschungen ging es Stubbs und seinen Mitarbeitern darum, die dreidimensionale Struktur von TobZ (Tobramycin 6''-O-Carbamoyltransferase) zu klären. Dabei handelt es sich um einen Vertreter einer wichtigen Enzymklasse, der für die Biosynthese des Antibiotikums Tobramycin entscheidend ist, angewandt unter anderem bei Augenentzündungen. „Dieses ursprüngliche Ziel haben wir auch erreicht. Dass wir darüber hinaus Erkenntnisse auf einer so fundamentalen Ebene gewinnen würden, war schon eine Überraschung", sagt Prof. Dr. Milton T. Stubbs. Der Amerikaner ist seit 2002 Leiter der Arbeitsgruppe Physikalische Biotechnologie an der Martin-Luther-Universität, zu deren Schwerpunkten die Proteinforschung zählt.

„TobZ besteht aus zwei Proteindomänen, die jeweils ein aktives Zentrum besitzen", erläutert Stubbs. „Beide Zentren liegen innerhalb einer Reaktionskammer, die man sich wie einen Kochtopf vorstellen kann." Um dies zu sehen, habe man das Enzym kristallisiert und anschließend mit Röntgenstrahlen untersucht. „Das Spannendste war nun, die Rolle von Adenosintriphosphat zu analysieren. Dass dieser biologische Kraftstoff für die katalytische Aktivität von TobZ nötig ist, erstaunte doch sehr. Das kam uns ein bisschen verschwenderisch vor. Als ob man viel Energie verwendet für die Produktion von Papier, nur um es dann gleich zu verbrennen, damit einen das Feuer wärmt."

Des Rätsels Lösung: Der Kraftstoff wird von TobZ genutzt, um ein Zwischenprodukt von einem Zentrum der Reaktionskammer zum anderen zu bewerkstelligen. Die im „Kochtopf" stattfindenden Reaktionen sind in jedem Organismus in ähnlicher Form zu finden. „Dort werden sie durchgeführt von Proteinen, die verwandt sind mit den TobZ-Proteindomänen", sagt Milton T. Stubbs. „Das Endprodukt ist dann tRNA, also Transfer-RNA, die als Hilfsmolekül bei der Proteinbiosynthese dient." Somit müssen TobZ-ähnliche Enzyme bereits „sehr früh in der Evolution" entstanden sein. „Diese Enzyme sind fundamental für die Protein-Herstellungs-Maschinerie und erlauben uns einen Blick zurück zur Entstehung des Lebens", ist Stubbs überzeugt. „TobZ ist dabei eine Art‚ molekulares Fossil', das bis heute überlebt hat, und zeigt, dass für bestimmte, fundamentale Reaktionen die ‚Energie-Effizienz' damals offensichtlich eine untergeordnete Rolle spielte.".

Quelle:

Die O-Carbamoyltransferase TobZ katalysiert eine enzymatische Reaktion frühen Ursprungs
C. Parthier, et. al., Angew. Chem. 2012. DOI: 10.1002/ange.201108896

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Analyse von Enzym TobZ gibt Hinweise auf Evolution der Protein-Herstellungs-Maschinerie
(URL: https://www.organische-chemie.ch/chemie/2012/mar/tobz.shtm)

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