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14.04.13 Strukturaufklärung von Nanopartikeln

Strukturbestimmung von Nanoteilchen mit Röntgenlasern

Verfahren zur genauen Auswertung von Messdaten aus Röntgenlasern entwickelt

An Freie-Elektronen-Röntgen-Lasern wie dem zukünftigen SwissFEL des Paul Scherrer Instituts PSI sollen unter anderem die Strukturen von komplexen Nanoteilchen bis hin zu Biomolekülen untersucht werden. Dabei ist nicht nur die eigentliche Messung eine Herausforderung, sondern auch die Rekonstruktion der Struktur aus den Messdaten. In einem Experiment werden die untersuchten Teilchen mit Licht aus dem Röntgen-Laser durchleuchtet und das dabei gestreute Licht detektiert. Um genügend Information zu erhalten, wird man die Messungen mehrfach wiederholen müssen. Dabei sind typischerweise mehrere, zufällig orientierte Teilchen gleichzeitig im Strahl. Forscher des PSI haben nun einen optimierten mathematischen Weg aufgezeigt, wie man aus so gewonnen Messdaten eine deutlich bessere Auflösung bei der Bestimmung der Struktur eines einzelnen Teilchens erhält als bisher. Das Verfahren wurde an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS des PSI mit speziell hergestellten, zweidimensionalen Nanostrukturen erfolgreich getestet. Die Methode kann nun auf echte dreidimensionale Objekte erweitert werden. Hierzu wird man aber weitere Informationen, etwa zur Symmetrie, benötigen.

Abb. 1: Prinzip des beschriebenen Verfahrens. Viele gleiche rund 300 Nanometer grosse Teilchen sind unregelmässig auf einer dünnen Membran verteilt (Bild b). Diese Membran wird an verschiedenen Stellen mit einem Röntgenstrahl aus der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS des Paul Scherrer Instituts PSI durchleuchtet (Bild a). Dabei wird jedes Mal eine andere Konfiguration von Teilchen getroffen, zum Beispiel die in dem orange berandeten Bereich in Bild b. Dadurch wird ein Experiment simuliert, wie man es an einem Röntgenlaser zur Untersuchung von Objekten im Nanometerbereich durchführen würde. Das dabei entstehende Streubild spiegelt wider, in welche Richtungen das Licht bei der Begegnung mit den Teilchen besonders stark abgelenkt wurde. Die unterschiedliche Intensität des abgelenkten Lichts ist durch verschiedene Farben dargestellt – rot steht für hohe Intensität, es folgen gelb, grün und schliesslich blau für niedrige Intensität. Die Auswertungsmethode der Kreuzkorrelation ermöglicht es nun, aus den Streubildern der einzelnen Messungen ein einzelnes Streubild zu rekonstruieren, das so aussieht, als hätte man eine Messung an einem einzelnen Teilchen durchgeführt (Bild c). Aus diesem berechneten Streubild lässt sich wiederum die Form eines einzelnen Teilchens bestimmen (Bild d), die gut die tatsächliche Teilchenform wiedergibt. So kann man aus vielen Messungen, bei denen im Einzelnen nicht klar ist, wieviele Teilchen jeweils beobachtet worden sind, die Form eines einzelnen Teilchens bestimmen.
Quelle: Bill Pedrini, SwissFEL-Projekt, Paul Scherrer Institut, 5232 Villigen PSI, Schweiz

Intensive Lichtpulse zeigen Struktur

Im Experiment zur Strukturbestimmung wird man einen Strom von Nanoteilchen, die man untersuchen will, erzeugen und mit Röntgenlichtpulsen aus dem XFEL durchleuchten. Diese Pulse werden so intensiv sein, dass die von dem einzelnen Puls beleuchteten Teilchen eine nennenswerte Menge an Licht ablenken und gleichzeitig so kurz, dass sich das einzelne Teilchen während der Belichtung nicht dreht. Doch wird die Information, die die Beleuchtung eines einzelnen Teilchens liefert, nicht reichen, um dessen Struktur zu bestimmen. Die Messung wird mehrmals mit immer wieder neuen Teilchen wiederholt werden müssen, die dabei jedes Mal anders im Raum orientiert sein werden.

Struktur von Einzelteilchen aus Streudaten vieler Teilchen

Aus der Gesamtheit der Streudaten aus aufeinanderfolgenden Messungen die Struktur eines einzelnen Teilchens zu bestimmen, ist eine grosse mathematische Herausforderung, insbesondere wenn die Zahl der Teilchen, die während der einzelnen Messungen beleuchtet wurden, unbekannt ist. Nun haben Forscher des PSI um den Physiker Bill Pedrini einen wichtigen Schritt hin zur Lösung des Problems gemacht. Sie haben ein 1977 vom israelischen Physiker Zvi Kam vorgeschlagenes Verfahren weiterentwickelt. In mathematischer Sprache ausgedrückt, berechnet man dabei die Kreuzkorrelationen der gemessenen Streuintensitäten. Diese erlauben, aus der grossen Menge an experimentellen Daten die für die Strukturbestimmung nötige Information zu extrahieren. „Für die Anwendung dieses Verfahrens ist es entscheidend, dass das einzelne untersuchte Teilchen im Mittel mindestens zwei Lichtteilchen streut, damit man auch die nötigen Korrelationen beobachten kann. Bei Anwendung der sehr intensiven Pulse eines XFEL wären diese Voraussetzungen auch für kleinere Untersuchungsobjekte erreicht“, erklärt Pedrini.

An der SLS getestet

Getestet wurde das Verfahren in einem Experiment an der cSAXS-Röntgenstrahllinie der SLS. Die Rolle der Teilchen haben hier rund 300 Nanometer grosse, identische, sternartige Testobjekte gespielt, die eigens für dieses Experiment am Labor für Mikro- und Nanotechnologie des PSI hergestellt wurden. Sie waren unregelmässig auf einer Fläche verteilt und zufällig orientiert. „Wir haben diese Proben an verschiedenen Stellen mit einem Strahl aus der SLS durchleuchtet und somit ein Experiment am Röntgenlaser simuliert, in dem bei jeder Aufnahme eine andere Konfiguration von mehreren unbewegten Teilchen beleuchtet wurde“, so Pedrini. Mit ihrem Verfahren konnten die Forschenden aus der Gesamtheit der ungefähr 4000 Streubilder die genaue Form des Nanosternchens ermitteln. „Die Rekonstruktion war möglich, ohne dass wir bei den einzelnen Aufnahmen wussten, wie viele Objekte wir im Strahl hatten. Das entspricht der Situation in einem tatsächlichen Experiment“, bemerkt Pedrini weiter.

In Zukunft in 3-D

Im nächsten Schritt soll das Verfahren auf dreidimensionale Teilchen, zum Beispiel Moleküle, verallgemeinert werden. Auch wenn jetzt schon klar ist, dass man aus prinzipiellen Gründen für eine vollständige 3-D-Strukturbestimmung auf zusätzliche Informationen angewiesen ist, etwa über die Symmetrien des Objektes, bietet die Methode wesentliche Vorteile. Insbesondere macht sie die rechnerisch einfache Auswertung grosser Mengen an Streubildern möglich. Die Testexperimente an der SLS haben zum einen bewiesen, dass das tatsächlich funktioniert. Zum anderen haben sie aber auch weitere Erkenntnisse für zukünftige XFEL-Experimente geliefert. „Wir wissen jetzt zum Beispiel, welche Effekte entstehen, wenn das Licht, das von zwei Objekten gestreut wurde, interferiert. Und wie wichtig es ist zu berücksichtigen, dass der Lichtstrahl nicht im ganzen Strahlquerschnitt gleich intensiv ist“, so Pedrini.

Weiterhin verschiedene Verfahren zur Strukturbestimmung

Trotz der intensiven Röntgenstrahlung, die ein XFEL liefern kann, wird das vorgestellte Verfahren keine „atomare Auflösung“ liefern, bei der man die Position jedes einzelnen Atoms im Molekül ermitteln kann. Diese erreicht man mit dem Verfahren der Proteinkristallografie, das seit Jahren sehr erfolgreich an der SLS eingesetzt wird. Dafür müssen zahlreiche Exemplare des Moleküls hergestellt und in einer regelmässigen dreidimensionalen Anordnung – einem Kristall – untergebracht werden. Viele wichtige Moleküle, darunter die meisten Membranproteine, können aber nicht kristallisiert werden, sodass nur Streuexperimente an Molekülen möglich sind, die in einer Flüssigkeit gelöst sind. Solche Experimente liefern heutzutage lediglich Information über die äussere Form der Moleküle. Die Kombination von Experimenten an einem XFEL mit der auf Kreuzkorrelationen beruhenden Auswertung verspricht bedeutende Fortschritte – es soll eine Auflösung von wenigen Nanometern erreicht werden, was die Identifizierung von neuen strukturellen Eigenschaften erlauben wird.

Quelle:

Quantum coherence controls the charge separation in a prototypical artificial light-harvesting system
B. Pedrini, et. al., Nature Commun. 2013. DOI: 10.1038/ncomms2622

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Strukturaufklärung von Nanopartikeln
(URL: https://www.organische-chemie.ch/chemie/2013/apr/nanoteilchen.shtm)

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