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Kategorien: Medicinal Chemistry >> Natural Products, Toxicology

Biogene Gifte
Biologie, Chemie, Pharmakologie, Toxikologie

Eberhard Teuscher, Ulrike Lindequist

Gebunden, 963 Seiten
3. Auflage, 2010
ISBN: 978-3-8047-2438-9
Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft

Beschreibung

Faszination der Gifte

Giftstoffe sichern ihren Produzenten das Überleben. Neben den tödlichen Gefahren, die von den Giften ausgehen können, stellen sie gleichzeitig eine reiche Fundgrube neuer Wirkstoffe dar.

Die bekannten Autoren zeigen u. a.

Mit 480 Farbabbildungen, über 2500 chemischen Strukturen, mehr als 3000 Organismen und 8000 Literaturzitaten - das einzigartige Nachschlagewerk zu Giften biogener Herkunft!

3., neu bearbeitete und erweiterte Auflage 2010. XX, 963 S., 480 farb. Abb., 62 s/w Tab.

Besprechung

Naturstoffchemie ist ein faszinierendes Gebiet - und Giftstoffe umso mehr, weil sich Pflanzen und Tiere einen evolutionären Vorteil durch mannigfaltige Wirkstoffe verschafft haben, die sie selbst produzieren oder von anderen Quellen aufnehmen und dann nutzen. Dasselbe gilt hingegen auch für (Frass-)Feinde, die sich aufrüsten und z.B. mit Hilfe spezifischer Enzyme die Giftwirkung neutralisieren. Oftmals wirken Gifte sehr speziesspezifisch, so dass für Menschen ungefährliche Substanzen für Rinder und Mäuse gefährlich wirken und umgekehrt. Kleine Ursachen könnten z.B. schon verminderte Aufnahme des Giftes aufgrund unterschiedlicher pH-Bereiche im Verdauungstrakt der jeweiligen Spezies sein. Man merkt, das Feld ist potentiell gross und kann im Prinzip sehr detailliert abgehandelt werden.

Teuschers und Lindequists Buch "Biogene Gifte" erschreckt durch den wirklich beeindruckenden Umfang. Ich muss der Wissenschaftlichen Verlagsgesellschaft ein Lob aussprechen, weil sie ein derart umfassendes Werk zu einem höchst attraktiven Preis realisiert hat. Wobei man ein wenig differenzieren muss: molekularbiologische Hintergründe der Giftwirkung sind textlastig erklärt und werden durch keine Strukturformeln unterstützt, so dass eine gut gemachte Einleitung inklusive Erste-Hilfe-Massnahmen relativ nüchtern präsentiert wird. Man darf sich aber durch dieses Kapitel nicht abschrecken lassen, denn die nachfolgenden, eher wirkstoffstoffspezifischen Kapitel sind deutlich breiter aufgestellt und werden durch Bilder und Fotographien unterstützt. Kapitel wie "Polyketide" oder "Phenylpropanderivate" enthalten einige Angaben zur Stofffamilie, Biosynthese aber auch Isolierung der Naturstoffe gefolgt von Beispielen konkreter Giftstoffe, deren Vorkommen sowie Wirkung und Therapiemassnahmen. Eine Vielzahl von Literaturquellen ergänzt die Angaben, so dass problemlos weitere Details zu konkreten Fragestellungen in externen Literaturstellen gefunden werden können, was den Lexikon-Charakter des Werkes unterstreicht.

Positiv aufgefallen sind die hochwertigen chemischen Strukturen, die zur Hauptzahl akkurat gezeichnet sind und in denen Stereodeskriptoren korrekt genutzt werden. Lediglich bei ein paar Beispielen ist mir aufgefallen, dass im Raum überkreuzende Bindungen auf dem Papier falsch dargestellt werden. Als Beispiel sei Cycloneosamandion aus Abb. 37-10 genannt aber auch Abb. 36-8 in der im Prinzip das selbe Grundgerüst sogar in unterschiedlichen Repräsentationen erscheint. Aber klar gesagt: das betrifft äusserst wenige Strukturen und gerade im Vergleich mit anderen Büchern ist die bereits hohe Qualität anzumerken!

Vergleicht man Lehrbücher der Naturstoffchemie mit "Biogene Gifte", so hat man oftmals das Gefühl, dass der Detaillierungsgrad bei den Einleitungen zu den Stofffamilien gleich ist und dann aber bei den Giften in dem vorliegenden Werk deutlich höher ist. Aber man muss auch klar feststellen, dass "Biogene Gifte" von Chemikern nicht als Lehrbuch genutzt werden sollte, sondern eher als ausserordentlich reichhaltiges Nachschlagewerk, aus dem ja nach Interesse spezifische Kapitel auch ganz gelesen werden können. Da viele Giftstoffe auch Genussstoffe sind (man denke an Koffein) oder als Wirkstoffe in Frage kommen (z.B. Digitoxin) und die Autoren immenses Wissen aus unterschiedlichen Bereichen z.B. auch konkrete Fallbeispiele von Giftwirkung auf Menschen, aufgearbeitet haben, findet man zu vielen Naturstoffen reichhaltige Angaben.

Es kann aber durchaus sein, dass bei Giftwirkung und Therapiemassnahmen die pharmazeutischen Fachbegriffe Chemikern zusätzlichen Aufwand machen werden, aber die immense Fülle an Information sind hier so unschlagbar, dass das Buch für jeden Naturstoffchemiker und für jeden fortgeschrittenen Studenten mit Interesse an Giftstoffen zu einem wertvollen Begleiter wird und zudem in keiner Bibliothek fehlen sollte.