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11.12.06 Bakteriophagen machen antibiotikaresistente Bakterien anfälliger

Mittel gegen resistente Keime

Phage stärkt Antibiotikum

Zufallsentdeckung des ETH-Postdocs Steven Hagens: Spezielle Bakteriophagen können antibiotikaresistente Pseudomonas-Bakterien anfälliger machen, so dass Antibiotika besser greifen. Ob daraus eine Therapie wird, ist jedoch ungewiss.

Peter Rüegg (ETHZ)

Abb.1: Bakteriophagen
Quelle: Nanoworld

Pseudomonas aeruginosa ist ein ungemütlicher Zeitgenosse“, sagt Steven Hagens vom Institut für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften. In der Tat sorgt dieses Bakterium bei Menschen noch immer für schwere Krankheiten, wie Lungenentzündungen, Infektionen von Brandwunden oder hartnäckige Spitalinfektionen. Besonders ungemütlich: Antibiotika können dem Bakterium kaum mehr etwas anhaben, denn Pseudomonas aeruginosa verfügt über Pumpmechanismen, welche die Antibiotika rasch wieder aus dem Zellinnern in die Umgebung abgeben. Zudem gibt es Stämme, die gegen die einstigen Wundermittel der Medizin Resistenzen entwickelt haben.

Erstaunliche Erkenntnis dank Zufall

Als Nebenprodukt seiner Dissertation, die Hagens an der Uni Wien geschrieben hat, entdeckte der Forscher nun aber etwas, das Hoffnung im Kampf gegen Pseudonomas weckt. „Das war reiner Zufall und hatte nichts mit meinem eigentlichen Thema zu tun“, sagt er bescheiden.

Hagens fand nämlich heraus, dass sich gewisse Stämme von Pseudomonas aeruginosa eindämmen lassen, wenn man sie nicht nur mit gängigen Antibiotika bekämpft, sondern gleichzeitig auch bestimmte fadenförmige Bakteriophagen einsetzt. Phagen sind im Prinzip Viren, die Bakterien befallen und töten können. Filamentöse Phagen, die Hagens eingesetzt hat, töten ihren Wirt aber nicht und parasitieren nur Gram-negative Bakterien. Pseudomonas ist ein solches Gram-negatives Bakterium.

Zellwand wird durchlässiger

Mit seinen Versuchen konnte er zeigen, dass es den Phagen Pf3 und Pf1 gelingt, ihre Gene in Pseudomonas einzuschleusen. Diese DNS-Sequenzen kodieren Membranproteine, die schliesslich – so vermutet der Forscher - Schleusen in der Zellwand des Bakteriums bilden. Durch diese Pforten gelangen möglicherweise die Antibiotika rascher in die Zelle als diese sie entsorgen kann. Obwohl einige Studien darauf hinweisen, bleibt dieser Mechanismus allerdings nur eine Vermutung. „Nicht alles, was wir wissen müssen, konnte ich herausfinden. Dafür fehlte mir die Zeit“, bedauert Hagens, der die in Wien begonnene Arbeit als Postdoc an der ETH weiterführte, aber nicht auf alle offenen Fragen Antworten gefunden hat.

Kombi-Therapie funktioniert bei Mäusen

Tests an Mäusen zeigten ihm allerdings, dass die Kombinationstherapie mit dem Antibiotikum Gentamicin und den Phagen wirkt. Tiere, die mit einer tödlichen Dosis des Bakteriums infisziert wurden, erholten sich, wenn sie sowohl das Antibiotikum als auch die fadenförmigen Phagen erhielten.

Wurden ihnen aber nur das eine oder andere Mittel verabreicht, heilte die Entzündung nicht. Ein Stamm von P. aeruginosa, der gar ein Resistenzgen gegen Gentamicin enthielt, wurde dank den Phagen wieder für dieses Antibiotikum anfällig.

Die Entdeckung von Hagens ist insofern bedeutend, weil Bakterien gegen viele gängige Antibiotika Resistenzen entwickelt haben. Damit werden diese Medikamente als Waffe gegen Infektionen immer stumpfer. Die Bakteriophagen könnten eine herkömmliche Behandlung zwar nicht ersetzen, wohl aber sinnvoll ergänzen. Eine Kombinationstherapie mit Phagen könne dann zum Zug kommen, wenn ein Bakterienstamm für einen bestimmten filamentösen Phagen anfällig sei. „Wir leben in einer Zeit, in der wir schauen müssen, was alles möglich ist“, sagt er.

Passende Phagen finden

Zuerst muss ein Erreger isoliert und charakterisiert werden um herauszufinden, ob überhaupt ein passsender Phage zu dessen Bekämpfung in Frage kommt. Das Risiko, dass sich Bakterien an ihre Feinde anpassen, schätzt Hagens eher gering ein. Denn Bakteriophagen erkennen Strukturen des Wirts, die dieser nicht so schnell ändern kann, weil sie lebenswichtig sind. Ein Bakterium könnte zum Beispiel ein Oberflächenprotein, an welches die Phage andockt, ändern. „Das aber könnte das Bakterium schwächen“, vermutet Hagens. Darüber hinaus werden die Phagen sich ihererseits auch immer wieder an Veränderungen anpassen.

Ob aus Hagens Zufallsentdeckung eine Therapie für Menschen entsteht, ist ungewiss. Erst eine Firma hat sich dafür interessiert und blieb unverbindlich. Der Forscher selbst konnte die Spur nicht weiterverfolgen. Er wird die ETH verlassen und bei einem Unternehmen einsteigen, das zwar mit Phagen arbeitet, diese allerdings in der Lebensmittelindustrie einsetzt. In diese Richtung zielt auch die Forschung von ETH-Professor Martin Loessner. Seine Gruppe untersucht unter anderem, ob Phagen gegen die gefährlichen Listerien, die in Weichkäse wie Vacherin vorkommen, eingesetzt werden können.

Quellen:

"ETH-Life":  Phage stärkt Antibiotikum

Augmentation of the Antimicrobial Efficacy of Antibiotics by Filamentous Phage
S. Hagens, A. Habel, U. Bläsi, Microbiol. Drug Resistance, Vol. 12, Number 3. pp 164-168.

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Bakteriophagen machen antibiotikaresistente Bakterien anfälliger
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