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03.09.06 Bauplan einer Antibiotika-Pumpe aufgedeckt

Bauplan einer Antibiotika-Pumpe aufgedeckt

Zahlreiche Bakterien pumpen Antibiotika aus ihren Zellen und werden so gegen Antibiotika resistent. Forschern der Universitäten Zürich und Konstanz haben jetzt den Bauplan einer solchen Antibiotika-Pumpe aufgedeckt. Gelingt es, einen Hemmstoff zu entwickeln, könnten solche Pumpen blockiert werden und die Bakterien würden wieder empfindlich für Antibiotika. Die Studie erschien am 1. September 2006 in der Wissenschaftszeitschrift "Science".

Beat Müller  (Universität Zürich)

Lässt sich ein Bakterium, das eine Infektion verursacht, nicht durch verschiedene Antibiotika bekämpfen, spricht man von multipler Antibiotika-Resistenz oder "multidrug resistance". Besonders in klinischer Umgebung ist "multidrug resistance" ein immer häufiger auftretendes Problem und führt zu nicht bekämpfbaren - und daher oft tödlichen Infektionen insbesondere bei immungeschwächten Patientinnen und Patienten.

Viele Bakterien, zum Beispiel das Darmbakterium Escherichia coli oder das opportunistische Pathogen Pseudomonas aeruginosa besitzen eine Pumpe, die äusserst effektiv für sie schädliche Substanzen, wie Antibiotika, von der bakteriellen Zelle nach aussen pumpt. Dies verhindert die Wirkung der Antibiotika und ermöglicht das Überleben der Bakterien.

Die Forscher Markus Seeger und Dr. Martin Pos von der Universität Zürich und Dr. André Schiefner und Prof. Kay Diederichs von der Universität Konstanz haben jetzt die Struktur, d.h. den Bauplan der Membranpumpe AcrB, einer der wichtigsten Antibiotika Resistenz-Maschinen aufgedeckt.

Links: Ein Antibiotikum-Molekül (Stern) ist von aussen (von oben im Bild) in die Membran eines Bakteriums (grau) geschlichen und versucht ins Zellinnere (nach unten) zu gelangen. Die AcrB Pumpe (farbig) fängt jedoch das Antibiotikum ab und leitet es in den Tunnel (grüner Schlauch) ein. Mitte: Das Antibiotikum ist gefangen im Tunnel. Rechts: Durch Schliessen des Tunnel-Eingangs und gleichzeitiges Öffnen des Tunnels an der anderen Seite (oben) wird das Antibiotikum nach aussen transportiert, wo es für das Bakterium keine Gefahr mehr darstellt. Nachdem das Antibiotikum den Tunnel verlassen hat, wird er geschlossen und wieder an der Membranseite geöffnet (Bild links), um sich das nächste Antibiotikum-Molekül zu angeln.

Erstaunt hat der Bauplan auf allen Ebenen: Es scheint, dass die Natur für den Transport von schädlichen Substanzen, wie Gallensalze und Antibiotika, eine peristaltische Pumpe, sprich Quetschpumpe, entwickelt hat. "Dem Bauplan nach beinhaltet die Pumpe ein Tunnelsystem, durch das die Antibiotika gleiten können", erklärt Martin Pos. Dieser Tunnel ist zuerst nur an einer zum Zellinnern gerichteten Seite geöffnet, um das Antibiotikum aus der Zelle zu fischen. Ist das Antibiotikum einmal im Tunnel gefangen, wird die innere Tunnelöffnung geschlossen, und gleichzeitig wird der Tunnel an der Aussenseite der Zelle geöffnet. Die postulierte Peristaltik bewirkt, dass das Antibiotikum aus dem nach aussen geöffneten Tunnel gequetscht wird. Ist das Antibiotikum einmal draussen und somit für das Bakterium ungefährlich, schliesst sich der Tunnel von aussen. Er öffnet sich wieder an der Innenseite, um sich das nächste Antibiotikum-Molekül zu angeln. Dieser Prozess wird ständig wiederholt und resultiert in einem kontinuierlichen Ausstrom von Antibiotika. Dies hat zur Folge, dass das Bakterium resistent ist und überlebt.

"Mit den neuen Kenntnissen des Antibiotika-Pumpmechanismus ist es denkbar, einen Hemmstoff für diese Resistenz-Pumpe zu entwickeln" sagt Martin Pos. Ein Molekül, das sich an den engen Stellen des Tunnels verankert und diesen somit verstopft, würde die Pumpe blockieren und die Antibiotika-Resistenz wäre aufgehoben.

Quelle:

Structural Asymmetry of AcrB Trimer Suggests a Peristaltic Pump Mechanism
M. A. Seeger, A. Schiefner, T. Eicher, F. Verrey, K. Diederichs, K. M. Pos, Science 2006, 313, 1295-1298. DOI: 10.1126/science.1131542

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Bauplan einer Antibiotika-Pumpe aufgedeckt
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