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14.02.07 Studie zum Nachlassen der Immunantwort bei Älteren

Mit 40.000 Blutproben gegen Grippe & Co

Vier Millionen Menschen sterben jedes Jahr an Atemwegserkrankungen wie der Virusgrippe. Gerade älteren Menschen kann eine Infektion gefährlich werden. Hinzu kommt, dass bei dieser Risikogruppe die Grippeimpfung nicht so wirksam ist wie bei Jüngeren.

Abb.: Oliver Schildgen mit einer Zellkultur, die zum Vermehren der Viren benötigt wird
Quelle: Frank Luerweg / Uni Bonn

Die Spanische Grippe raubte zwischen 1918 und 1920 mindestens 25 Millionen Menschen das Leben. Doch nicht nur wegen ihrer extremen Virulenz war die Erkrankung eine Ausnahme: Der Erreger, das Influenzavirus Subtyp A/h2N1, raffte vor allem Frauen und Männer in den besten Jahren hinweg. "Normalerweise stellen Atemwegsviren vor allem für Kinder und Menschen über 60 eine Gefahr dar", erklärt Projektkoordinator Dr. Oliver Schildgen. "Bei Älteren kommt leider noch hinzu, dass die Grippeimpfung nur in sechs von zehn Fällen eine Erkrankung verhindert." Bei jungen Erwachsenen liege die Erfolgsquote dagegen bei bis zu 90 Prozent.

Grund: Im Alter nimmt die Schlagkraft der Immunabwehr ab. Ein internationales Forschungskonsortium will nun herausfinden, warum das so ist. Rund 1,8 Millionen Euro stellt die EU dafür universitären und industriellen Partnern in den nächsten drei Jahren zur Verfügung. Bei anderen Erkrankungen wurde schon nachgewiesen, dass der gealterte Körper nicht mehr genügend wirksame Antikörper produzieren kann. "Wir wollen vor allem herausfinden, ob das auch bei Infekten mit neu entdeckten Atemwegsviren der Fall ist", sagt Oliver Schildgen.

Der "kleine Bruder" von SARS

Dazu wollen die Wissenschaftler bis zu 40.000 anonymisierte Blutproben analysieren, die am Uniklinikum Bonn in den letzten Jahren gesammelt wurden. Sie stammen von Patienten, die mit ganz unterschiedlichen Beschwerden eingeliefert wurden. Zu jeder Probe ist bekannt, wie alt die Person war, der sie entnommen wurde. Den Wissenschaftlern geht es darum, einen möglichst repräsentativen Überblick über den Immunstatus der Bevölkerung zu erhalten. "In letzter Zeit sind eine Reihe neuer Atemwegsviren entdeckt worden", erläutert der der Bonner Privatdozent. "Wir vermuten, dass wir in den Blutproben älterer Patienten weniger wirksame Antikörper gegen diese Erreger finden werden als bei Jüngeren."

Zu den möglicherweise gefährlichsten Erregern zählt das erst 2001 vom holländischen Projektpartner entdeckte Coronavirus NL63. Es gehört zur selben Virusgruppe wie der Erreger von SARS, der es bei einer Epidemie in den Jahren 2002 und 2003 zu trauriger Berühmtheit brachte. Die Gruppe vom Academic Medical Center in Amsterdam möchte nun herausfinden, wie eine Infektion mit dieser Virengruppe abläuft, um so möglicherweise Ansatzpunkte für neue Medikamente zu finden.

In den kommenden Jahren sollen aktuelle Atemwegsinfektionen in der EU in einer Datenbank, die von einer deutschen Partnerfirma entwickelt wird, standardisiert erfasst werden. Neu entwickelte Immuntests sollen eine beschleunigte Lösung dieser Aufgabe ermöglichen. "Wir wollen herausfinden, welche Viren sich momentan ausbreiten, wie gefährlich sie sind und welche Risikofaktoren eine Infektion besonders wahrscheinlich machen", erläutert Schildgen.

Eine Arbeitsgruppe der Universität Siena untersucht derweil, wie sich die Immunantwort bei Älteren auf Zellebene verändert. Weitergehende Erkenntnisse sollen Studien mit gealterten Mäusen liefern. Dazu baut das Universitätsklinikum von Dijon ein entsprechendes Tiermodell auf. Eine belgische Firma will an den Tieren neue Konzepte erproben, um das Immunsystem Älterer zu Höchstleistungen anzuspornen.

Wenn das Immunsystem im Alter nachlässt, könnte das auch an einer lange zurückliegenden Infektion liegen. Unter Verdacht steht beispielsweise der Erreger des Pfeiffer'schen Drüsenfiebers. Wegen der hauptsächlich betroffenen Altersgruppe und eines möglichen Infektionsweges ist die Erkrankung auch als "Students' Kissing Fever" bekannt. Nach Abheilung der Symptome verbleibt der Erreger, das Epstein-Barr Virus, lebenslang im Körper und könnte mit zunehmendem Alter die Abwehrkraft des Körpers nachhaltig schwächen - eine Theorie, der die RWTH Aachen nachgeht.

Kontakt

PD Dr. Oliver Schildgen
Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie der Universität Bonn
Telefon: 0228/287-11697

Bitte zitieren Sie die Seite wie folgt:

Studie zum Nachlassen der Immunantwort bei Älteren
(URL: https://www.organische-chemie.ch/chemie/2007feb/grippe.shtm)

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