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09.09.09 Kendomycin als potente Leistruktur für Antibiotika

Neuartiges Antibiotikum gegen resistente Keime

Totalsynthese von Kendomycin - eine Leitstruktur für neuartige Antibiotika

In Krankenhäusern und Pflegeheimen vermehren sich resistente Keime, denn viele bekannte Antibiotika sind bereits wirkungslos geworden. Diesem Problem setzt nun Thomas Magauer vom Institut für Organische Chemie der Universität Wien eine fundamentale Neuentwicklung entgegen. Er hat im Rahmen seiner Dissertation die Totalsynthese des Streptomyces-Stoffwechselprodukts Kendomycin durchgeführt und damit die Leitstruktur für ein neuartiges Antibiotikum hergestellt, das widerspenstige Keime das Fürchten lehren könnte.

Abb. 1: Zwei neue Wege zum Antibiotikum Kendomycin werden beschrieben. Charakteristische Merkmale sind komplexe Claisen-Ireland-Umlagerungen und Makrocyclisierungen über Ringschlussmetathese (RCM) oder Photo-Fries-Umlagerung (siehe Retrosyntheseschema).
Quelle: J. Mulzer, Angew. Chem.

Ausgangspunkt ist ein Naturstoff - der Metabolit Kendomycin, den die Chemiker Thomas Magauer und Harry Martin unter der Leitung von Johann Mulzer, Professor für Organische Chemie der Universität Wien, in naturidentischer Form nachgebaut haben. Die Wirkung dieses Stoffes hat großes Potenzial, so Thomas Magauer: "Bei verschiedenen Tests hat sich herausgestellt, dass die Verbindung nicht nur antibiotisch, sondern auch entzündungshemmend und gegen Tumore wirkt. Außerdem könnte sie gegen Osteoporose, also Knochenschwund, eingesetzt werden."

Die Natur zum Vorbild - so wie bei Aspirin oder der Antibabypille

Johann Mulzer verweist stolz auf Thomas Magauer, der die Totalsynthese praktisch im Alleingang zu Ende geführt hat. "Der spannendste Moment war der vor der Endstufe", erklärt Magauer, "denn wenn der letzte Schritt fehlgeschlagen wäre, hätten wir wieder bei Null beginnen müssen." Schlussendlich haben der spektroskopische Nachweis ergeben, dass die Verbindung passt: "Dieser Erfolg sowie das Wissen, dass diese Verbindung zu einem - in der Medizin verwendbaren - Wirkstoff modifiziert werden kann, motiviert mich für die weitere Arbeit", betont der Doktorand.

Sensationelle Wirkung gegen besonders bösartige Keime

Die neue Verbindung wirkt auch gegen MRSA - Methicillinresistenten Staphylococcus aureus, einem besonders bösartigen Keim, der vermehrt in Krankenhäusern und Pflegeheimen auftritt. "In den Biofilmen, die sich z.B. auf Kathetern bilden, befinden sich eine Menge Bakterien, die bereits so viele Antibiotika gesehen haben, dass ihnen keines mehr gefährlich werden kann", so der Chemiker Johann Mulzer. Deshalb müssen ständig neue Verbindungen entwickelt werden. Und genau darin liegt der Vorteil der neuen Verbindung, die als Leitstruktur gesehen werden kann, aus der ähnlich wie bei Penicillin Hunderte neuer Verbindungen abgeleitet werden können.

Zudem kann der Stoff durch gezielte strukturelle Modifikation jeweils so optimiert werden, dass er als Antibiotikum, als Antikrebsmittel, als Mittel gegen Osteoporose oder gegen Entzündungen verwendet werden kann. "Aus einer Wirkung können also vier gemacht werden, was aber natürlich sehr aufwendig ist. Dafür sind die entsprechenden Ressourcen nötig, weshalb es nun Aufgabe von pharmazeutischen Unternehmen wäre, die Verbindung weiterzuentwickeln", erklärt Johann Mulzer.

Quelle:

Totalsynthese des Antibiotikums Kendomycin durch Photo-Fries-Umlagerung und Ringschlussmetathese
T. Magauer, Angew. Chem. 2009, DOI: 10.1002/ange.200900522

Bitte zitieren Sie die Seite wie folgt:

Kendomycin als potente Leistruktur für Antibiotika
(URL: https://www.organische-chemie.ch/chemie/2009/sep/kendomycin.shtm)

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