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03.07.09 Axolotl-Zellen werden während Gewebe-Regeneration reprogrammiert

Regeneration neu definiert

Gliedmaßen bilden sich aus Zellen mit begrenztem Entwicklungspotential nach

Mit einer Kombination aus Licht und Ultraschall können Forscher der Technischen Universität München und des Helmholtz Zentrums München fluoreszierende Proteine mehrere Zentimeter tief in lebendem Gewebe sichtbar machen. Bisher scheitern auch moderne Techniken an der starken Lichtstreuung jenseits von einem Millimeter Gewebedicke. In der Zeitschrift Nature Photonics beschreiben die Münchener Wissenschaftler jetzt, wie sie „Licht hören“ und damit feststellen können, welche Gene in Geweben von Fliegenlarven und Fischen aktiv sind. Zukünftig könnte die Technologie die Untersuchung von Tumoren oder Herzkranzgefäßen im Menschen erleichtern.

Abb. 1: Regeneriertes Glied des Axolotl mit GFP (green fluorescent protein) angefärbten Schwann Zellen, die sich um die Nervenzellen wickeln. Nur Zellen um die Nervenfasern herum sind grün.
Quelle: Martin Kragl

Der mexikanische Schwanzlurch Axolotl (Ambystoma mexicanum) hat eine erstaunliche Fähigkeit, die uns Menschen verloren gegangen ist: ihm wachsen Gliedmaßen, Organe und sogar Teile des Gehirns vollständig und funktionstüchtig nach. Bisher wurde angenommen, dass sich während der Regeneration Gewebe von Gliedmaßen in pluripotente Alleskönner-Zellen dedifferenzieren (zurückentwickeln) und aus diesen sich dann alle Zellen neu bilden. In ihrer Studie, die in der aktuellen Ausgabe von Nature erscheint, rollte Prof. Dr. Elly Tanaka vom DFGForschungszentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD) die Frage nach der Entwicklungsfähigkeit der Zellen neu auf und machte dabei die erstaunliche Entdeckung, dass jedes Gewebe Vorläuferzellen mit beschränktem Potential produziert. Die Studie ist gemeinsam mit dem Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden sowie dem Institut für Anatomie an der Medizinischen Fakultät der TU Dresden entstanden.

Nach einer Verletzung bildet sich über der Wunde beim Axolotl eine Zone von undifferenzierten Vorläuferzellen, auch Blastema genannt. Vorangegangene Studien sehen das Blastema als eine homogene Ansammlung eines Zelltyps, der die Fähigkeit besitzt, sich in alle anderen Zelltypen zu entwickeln. Die Forschungsgruppe um Elly Tanaka wandte eine neue Methode an, um dieser Annahme auf den Grund zu gehen: Zellen von verschiedenen Teilen des Körpers vom Axolotl, die mit GFP (Green Fluorescent Protein) angefärbt waren, wurden in denselben Teil nicht angefärbter Tiere transplantiert, um jedes Gewebe grün zu markieren. Damit konnte die Entwicklung der Gewebezellen von Epidermis (Oberhaut), Dermis (Lederhaut), Muskeln, Knorpel und Schwann-Zellen (isolieren Nervenzellen mit einer Art Hülle) nachverfolgt werden. Prof. Tanaka ist es zum ersten Mal gelungen, das GFP in das Genom des Axolotls einzubringen und damit im Detail das Schicksal einzelner Zellen und Gewebe nachverfolgen zu können. Das Ergebnis der Untersuchungen bricht mit den bisherigen Vorstellungen von Regeneration. Prof. Tanaka erklärt: "Die Zellen entwickeln sich nicht in ein pluripotentes Stadium zurück und behalten eine starke Erinnerung an ihre Herkunft. Das Blastema ist demzufolge ein heterogener Pool von Vorläuferzellen mit begrenztem Entwicklungspotential." Im Detail zeigen die Ergebnisse: Hautgewebe produziert bei der Regeneration zwar Knorpel und Sehnen, aber keine Muskelzellen oder Schwann-Zellen. Knorpel bildet kein Muskelgewebe, sondern meistens wieder Knorpel. Muskel hingegen entwickelt kein Knorpel- oder Epidermisgewebe sondern beschränkt sich hauptsächlich oder exklusiv auf die Bildung von Muskel. Die meisten Zellen sind somit auf ihre eigene Gewebeidentität beschränkt, wobei das Hautgewebe das flexibelste von allen ist.

Für sich regenerierendes Gewebe ist es essentiell zu wissen, an welche Position in den Gliedmaßen die einzelnen Zellen gehören. In der vorliegenden Studie wurde auch untersucht, ob Blastema-Zellen von verschiedenen Geweben dieselben molekularen und zellulären Eigenschaften bezüglich dieser Positions-Identität besitzen. "Wir haben auch hier Erstaunliches gefunden", so Tanaka. "Die Positions-Identität ist ein spezifisches Merkmal von Zelltypen des Blastemas. Blastema-Zellen, die aus dem Knorpel abgeleitet werden, behalten Ihre Positions-Identität, wissen also genau wohin sie im neuen Glied gehören. Hingegen Zellen, die aus Schwann-Zellen entstehen, behalten diese Identität nicht." Für weitere Studien im Bereich der Regeneration heißt das, dass man jedes einzelne Gewebe beobachten muss, um Aspekte der Blastema zu studieren.

Die Ergebnisse dieser Studie haben wichtige Auswirkungen auf die zukünftige Forschung im Bereich der regenerativen Medizin. Durch die Ergebnisse von Frau Prof. Tanaka wird klar, dass das komplexe Phänomen der Regeneration ohne komplette Zurückentwicklung der Zellen in ein pluripotentes Stadium erreicht werden kann. Somit sind viele Unklarheiten bezüglich der Entwicklungsfähigkeit von Zellen gelöst. Warum ist das Ergebnis in Hinblick auf regenerative Therapien so wichtig? "Zum ersten Mal wurde festgestellt, dass sich die Zellen im Regenerationswunder Axolotl wie Zellen in Säugetieren verhalten und nicht so verschieden von unseren sind", so Elly Tanaka. "Dennoch bilden die Zellen beim Salamander ein vollständiges Glied, d.h. dass die Zellen eine Art Reprogrammierung durchlaufen müssen, selbst wenn sie nicht in das früheste pluripotente Stadium zurück kehren." In weiteren Studien wird sich Prof. Tanaka mit verschiedenen Genen beschäftigen, die für die Regeneration wichtig sind.

Quelle:

Cells keep a memory of their tissue origin during axolotl limb regeneration
M. Kragl, et. al., Nature 2009, DOI: 10.1038/nature08152

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Axolotl-Zellen werden während Gewebe-Regeneration reprogrammiert
(URL: https://www.organische-chemie.ch/chemie/2009jul/axolotl.shtm)

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