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27.07.09 Stammzellen reagieren mit Apoptose auf bestimmte Grössen von Nanostrukturen

Zellen reagieren auf Nanostrukturen

Unterschiede im Bereich von einigen tausendstel Mikrometern bei einer Oberflächenbeschichtung können darüber entscheiden, ob Implantate von der organischen Umgebung angenommen werden

Forscher der Universität Erlangen-Nürnberg zeigen, dass Oberflächengeometrien von Substraten im Nanometerskalenbereich einen dramatischen Einfluss auf das Verhalten von Stammzellen haben: Die Zellen können zum Absterben oder aber im Gegenteil zu erhöhter Aktivität veranlasst werden.

Fluoreszenzmikroskopische Aufnahmen der Expression von Osteocalcin nach 14-tägiger Inkubation einer Cokultur von Osteoblasten und Osteoclasten auf Nanoröhrenschichten mit Durchmessern von 15 und 100 nm. Quantitative Auswertungen nach einigen Tagen Inkubation von mesenchymalen Stammzellen auf Nanoröhrenschichten unterschiedlicher Durchmesser zeigen deutliche Unterschiede in Zelladhäsion, -proliferation und -apoptose.
Quelle: Stefan Bauer, Uni Erlangen-Nürnberg

Zur Studie unter Leitung von Prof. Schmucki von der Universität Erlangen-Nürnberg wurden Titanoxid-Nanoröhrchenschichten auf Titan-Legierungen aufgezogen. Solche selbstorganisierten Oberflächen mit Strukturen im Nanometer-Bereich könnten z.B. für biomedizinische Implantatsmaterialien verwendet werden. Mehrjährige Forschung über die Wirkung solcher Nanoskalenmorphologie auf lebende Zellen, ergab spektakuläre Ergebnisse, die belegen, dass nanoskalige Strukturierungen im Bereich von 15 - 100 nm das Verhalten von Stammzellen aus dem Knochenmark erheblich beeinflussen. Geometrien von 100 nm induzieren einen gezielten programmierten Zelltod (Apoptose); im Gegensatz dazu ist auf 15 nm-Strukturen eine deutlich erhöhte Zellaktivität zu beobachten.

In einer kürzlich veröffentlichten Arbeit in Integrative Biology konnte die Annahme bekräftigt werden, dass das Zellverhalten nicht vorwiegend von der chemischen Zusammensetzung der Oberflächen abhängt. Der strukturelle Einfluss der Oberflächengeometrien im Nanometerskalenbereich hat eindeutig den Vorrang. Diese Arbeiten finden großen internationalen Widerhall. So hat Matthew Dalby von der Universität Glasgow, ein weltweit führender Experte auf dem Gebiet der Stammzellinteraktion, die weitreichende Bedeutung der publizierten Arbeit anerkannt. "Es ist eine Frage von Topographie gegen Oberflächenchemie", kommentierte er. "Diese Arbeit zeigt auf, dass die Topographie gewinnt!"

Der nächste Schritt besteht, wie die Erlanger Forscher ankündigen, in der Untersuchung des Differenzierungsverhaltens von Stammzellen. Zu diesem Thema wird derzeit die Differenzierung der mesenchymalen Stammzellen aus dem Knochenmark und zusätzlich von hämatopoetischen Stammzellen - auch als Blutstammzellen bekannt - auf solchen Nanoröhrenschichten erforscht. Auch als Träger für pharmazeutische Wirkstoffe und zur Anbindung von biologisch relevanten Faktoren kommen die Nanoröhrenschichten in Frage; dazu sind ebenfalls Untersuchungen angelaufen.

Prof. Schmuki und seine Mitarbeiter sehen das Potential derartiger Nanoröhrenschichten zum einen im Bereich von Implantatbeschichtungen. Implantate, welche im Mikrometerskalenbereich bereits eine dem Gewebe angepasste Strukturierung aufweisen, könnten sich durch eine zusätzliche Verbesserung der Oberflächen im Nanometerskalenbereich noch besser und schneller in das Knochengewebe integrieren. Darüber hinaus bietet sich ein geradezu ideales Anwendungsgebiet im stark wachsenden Feld des Tissue Engineering, der Züchtung von Gewebe, wo es einen großen Bedarf an Oberflächen zur Steuerung von Zellreaktionen gibt.

Quelle:

Size selective behavior of mesenchymal stem cells on ZrO2 and TiO2 nanotube arrays
S. Bauer, et. al, Integrative Biology 2009, DOI: 10.1039/b908196h

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Stammzellen reagieren mit Apoptose auf bestimmte Grössen von Nanostrukturen
(URL: https://www.organische-chemie.ch/chemie/2009jul/nanostrukturen.shtm)

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