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15.07.09 Hemmer gegen H5N1 Hämagglutinin können potente, neue Wirkstoffklasse darstellen

Neue Klasse von Wirkstoffen gegen Vogelgrippe

Chinesische Arbeitsgruppen haben neues Wirkprinzip nutzbar gemacht: ihr Wirkstoff verhindert das Eindringen des Virus in eine Zelle

Bei Ausbruch der Vogelgrippe können Mediziner bislang auf zwei Gruppen von Wirkstoffen zurückgreifen. Aufgrund der Bildung von Resistenzen müssen aber dringend neue Angriffspunkte gefunden werden.

Abb. 1: Drei potentielle Hemmer des Eindringens des H5N1-Virus in Zellen
Quelle: J. Med. Chem.

Falls die Vogelgrippe ausbricht, hätten Mediziner die Auswahl aus zwei Gruppen von Präparaten: M2-Ionenkanal-Blocker (Amantadin und Rimantadin) und Neuraminidase-Hemmer (Oseltamivir und Zanamivir). Der M2-Ionenkanal ermöglicht dem Virus in der Wirtszelle die Aufnahme von Protonen, wodurch Membranproteine voneinander dissoziieren und sich die Virushülle auflöst. M2-Hemmer verhindern somit die Übernahme der Zelle durch die Viren. Neuraminidase-Inhibitoren hemmen das virale Enzym Neuraminidase, dessen Aufgabe es ist, Virenknospen von der Membran der Wirtszelle abzulösen. Doch Mutationen können z.B. Form des M2-Kanals oder der Neuraminidase leicht ändern, so dass die Hemmstoffe nicht mehr binden können: es kommt zur Ausbildung von Resistenzen, welche die Verteidigung der Bevölkerung sehr erschweren.

Abb. 1: Kristallstruktur des H5N1 Hämagglutinins
Quelle: PDB, DOI: 10.2210/pdb2fk0/pdb

Mehrere chinesische Arbeitsgruppen haben unter Federführung des Key Laboratory of Marine Drugs, Quingdao unter grossem Arbeitsaufwand neue Wirkstoffe entdeckt, die zudem ein drittes Wirkprinzip für Vogelgrippe-Wirkstoffe erschliessen. Ein Screening von Naturstoffderivaten hat sie auf potente Wirkstoffe geführt, die an Hämagglutinin binden können. Dieses Enzym löst durch die sogenannte Hämagglutination ein Verklumpen von roten Blutkörperchen aus, ist aber auch für die Aufnahme des Virus in die Wirtszelle verantwortlich, da es auf der Zelloberfläche mit sialinsäuretragenden Glykoproteinen wechselwirkt und als Antwort auf diese Wechselwirkung die Fusion des Viruspartikels mit der Zelle auslöst. Ein Detail ist nennenswert: die bereits oben erwähnte Neuraminidase entfernt eben diese Sialinsäurereste, damit die Neuinfektion einer schon befallenen Wirtszelle nicht stattfinden kann, womit die Verbreitung des Virus effektiver abläuft.

Wenn es gelingt, Hämagglutinin zu hemmen, so kann der Virus nicht mehr an Sialinsäure andocken, und die Aufnahme in die Zelle findet nicht mehr statt. Die nun vorgestellten Wirkstoffe sind Saponin-Derivate, synthetisch modifizierte sekundäre Pflanzenmetaboliten aus der Yams-Wurzel, deren Trisaccharid-Gruppe entscheidend für die Hemmung ist, wie die Forscher mitteilen. Diese Saponin-basierten Wirkstoffe gegen H5N1 haben bei menschlichen Lungenzellen, die mit einem Lentivirus, der durch genetische Modifikation das H5N1-Hämagglutinin trug, ihre Wirkung demonstriert, indem sie die Aufnahme blockierten.

Quelle:

Discovery of the First Series of Small Molecule H5N1 Entry Inhibitors
G. Song, et. al., J. Med. Chem. 2009, DOI: 10.1021/jm900275m

Bitte zitieren Sie die Seite wie folgt:

Hemmer gegen H5N1 Hämagglutinin können potente, neue Wirkstoffklasse darstellen
(URL: https://www.organische-chemie.ch/chemie/2009jul/vogelgrippe.shtm)

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