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09.06.09 Analoge von Cortistatin zeigen im Mausversuch Wirkung auf Blutgefässbildung in der Netzhaut

Wirkstoff gegen Makuladegeneration

Leichter zugängliches Analog des natürlichen Angiogenese-Hemmers Cortistatin A könnte vor Erblindung durch Gewebewucherungen schützen

Abb. 1: Cortistatin A im Vergleich mit dem von Corey entwickelten Wirkstoff - einem potenten Cortistatin-Analog
Quelle: JACS

Eine Reihe von Naturstoffen - die Cortistatine - sind als Produkte des seltenen Meeresschwammes Corticulum simplex nicht beliebig verfügbar, doch wie erste Tests zeigten, sind einige von ihnen ausgezeichnete Angiogenesehemmer: das heisst, sie verhindern die Neubildung von Blutgefässen. Sie könnten daher bei Erkrankungen wirksam sein, bei denen Gewebewucherungen einhergehen mit der Neubildung von Blutgefässen wie Tumoren. Da die Wirkung auf Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF), eine Gruppe von Signalmolekülen, welche die Teilung von Endothelzellen anregen, potent ist, bestand ein gewisses Interesse, Cortistatine für Forschungszwecke zu synthetisieren. Doch die drei bislang vorgestellten Totalsynthesen ergaben zusammen nur wenige Milligramm Substanz.

Die Gruppe um E. J. Corey (Harvard University), hat das komplizierte und chemisch schwierig zugängliche Cortistatin-Grundgerüst auf ein synthetisch bekanntes Stereoid-Gerüst reduziert und anhand von Struktur-Aktivitätsbeziehungen (SAR, Structure Activity Relationship) erste Vorschläge unterbreitet, wie geeignete Analoge auszusehen haben, damit diese eine ähnliche Aktivität wie die Naturstoffe aufweisen. In Zusammenarbeit mit Biologen, die sich auf Blutgefässe spezialisiert haben, konnte eine Wirkung einiger der vereinfachten Cortistatin-Analoge bei der sogenannten Makuladegeneration nachgewiesen werden. Durch Testen unterschiedlicher Verbindungen in einem Mausmodell wurde eine vereinfachte SAR für weitere, potente Wirkstoffe gegen die Krankheit festgelegt: So sind die in Abbildung 1 rot eingetragenen Gruppen von essentieller Bedeutung, aber auch ihr Abstand im Molekül, der im Prinzip dank des Stereoidgerüsts demjenigen des Naturstoffes entspricht.

Bei der Makuladegeneration, die eine typische Alterserscheinung ist, kommt es unter der Netzhaut zu Gefässwucherungen, die zuerst zu Unschärfen bei der Wahrnehmung, dann aber zur Erblindung führen. Bei frühzeitiger Erkennung können die neuen Gefässe unter Einsatz von photosensiblen Substanzen, die über das Blutsystem in die Netzhaut gelangen und vom Augenarzt mit einem kalten Laser belichtet werden, verödet werden. Der Einsatz von auf dem Markt befindlichen Angiogenesehemmern führt zudem oft zu einer Verbesserung der Sehleistung.

Die nun vorgestellten Angiogenese-Hemmer haben ihre Wirkung gegen die Makuladegeneration im Mausmodell schon bewiesen, doch sollte man in ihnen Leitverbindungen sehen, die die Entwicklung neuerer Wirkstoffe erst ermöglichen. Das Faszinierende an der Arbeit von Corey ist, dass im Prinzip die schwierige Synthese des Naturstoffes und die Forschung mit dieser Verbindung zeitlich wesentlich abgekürzt wurde und den Medizinalchemikern bereits ein Gerüst zur Verfügung gestellt wurde, dass im Prinzip mannigfaltige, weitere Verbindungen ermöglicht.

Quelle:

Discovery of Potent and Practical Antiangiogenic Agents Inspired by Cortistatin A
B Czakó, et. al., J. Am. Chem. Soc. 2009, DOI: 10.1021/ja902601e

Bitte zitieren Sie die Seite wie folgt:

Analoge von Cortistatin zeigen im Mausversuch Wirkung auf Blutgefässbildung in der Netzhaut
(URL: https://www.organische-chemie.ch/chemie/2009jun/cortistatin.shtm)

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