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05.06.09 Bakterielle Arginin-Kinase könnte sich als Zielstruktur für Antibiotika-Entwicklung eignen

Die Entdeckung eines neuen Signalwegs bei Bakterien könnte die Entwicklung neuartiger Antibiotika ermöglichen

Forscher am Wiener Institut für Molekulare Pathologie identifizierten ein bakterielles Enzym, das in Proteinen gebundenes Arginin phosphoryliert

Abb. 1: Regulatorprotein CtsR (bestehend aus 2 Untereinheiten in violett und ocker) an DNA gebunden
Quelle: IMP

Proteine sind Ketten aus Aminosäuren, die sich im Raum zu dreidimensionalen Strukturen falten. Sie werden von einer zelleigenen Maschinerie produziert, die die Anweisungen der Gene in die Reihenfolge der Kettenglieder übersetzt. Ein Gen - ein Protein, das war lange Zeit ein Dogma der Molekularbiologie. Mittlerweile kennt die Wissenschaft zahlreiche Modifikationen, mit denen Proteine nach ihrer Synthese verändert werden: durch Anhängen von kleinen Molekülen, Bildung chemischer Brücken, Abspalten von Aminosäuren oder Anfügen und Durchtrennen von Eiweißketten wird das Funktionsspektrum der Proteine dramatisch erweitert. Die Vielfalt an Regulationsmöglichkeiten erklärt auch das Paradox der relativ geringen Anzahl von Genen beim Menschen.

Eine der häufigsten und wichtigsten Modifikationen ist die Phosphorylierung. Durch Hinzufügen und Abspalten von Phosphatresten kann die Funktion eines Proteins sehr präzise kontrolliert werden. Wie mit einem molekularen Schalter werden auf diese Weise etwa Enzyme ein- und ausgeknipst. Die Zelle nutzt das reversible System unter anderem, um Signale aufzunehmen und weiterzuleiten. Der Mechanismus ist bewährt, er wurde von den einzelligen Bakterien bis zum Menschen beibehalten. Die Überträger der Phosphatreste, die Kinasen, spielen daher in allen Organismen eine zentrale Rolle im Stoffwechsel. Sie sind auch an der Entstehung von Krankheiten und am Wachstum von Tumoren beteiligt und daher ein wichtiger Angriffspunkt bei der Entwicklung von neuen, selektiv wirkenden Medikamenten.

Wissenschaftler am Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie haben nun eine neue Klasse von Kinasen aufgespürt. Mit biochemischen und strukturbiologischen Methoden gelang es der Gruppe um Tim Clausen, eine Arginin-Kinase zu identifizieren, die den Aminosäurebaustein Arginin phosphoryliert, wenn er in Proteinen gebunden ist. Die Forscher isolierten das Enzym aus Bacillus stearothermophilus, einem wärmeliebenden Bodenbakterium. B. stearothermophilus selbst ist kein Krankheitserreger, kann aber Lebensmittel verderben. Der Organismus fühlt sich bei Temperaturen um 55 Grad am wohlsten. Das hat für die Forscher den Vorteil, dass seine Proteine sehr stabil sind und auch gröbere Untersuchungsmethoden überstehen.

Die neu beschriebene Proteinkinase trägt die Bezeichnung McsB und spielt eine Rolle bei der Stressantwort des Bakteriums. Mit Stress - wie zum Beispiel Hitze - umzugehen, ist für alle Lebewesen eine große Herausforderung. Gerade Mikroorganismen haben dabei oft erstaunliche Strategien entwickelt. Bakterien, die in Zellen eindringen und Krankheiten auslösen, sind etwa umso virulenter je besser sie sich gegen Fieber wappnen können. Bei Hitzestress wird das Enzym McsB aktiv. Es überträgt einen Phosphatrest an ein Regulatorprotein namens CtsR, das normalerweise an DNA gebunden ist und dort das Ablesen von Stressgenen blockiert. Mit der Phosphorylierung ändern sich die Ladungsverhältnisse, die Bindung an die DNA geht verloren.

Was den Vorgang für die Wissenschaft so interessant macht: McsB hängt die Phosphatgruppe an die Aminosäure Arginin an, ein Vorgang, der nur von wenigen, bisher entdeckten Kinasen von wirbellosen Tieren bekannt ist, die zudem nur den freien Aminsosäurebaustein phosphorylieren. Der Nachweis dafür war nicht leicht zu führen: für die Analyse der Proteine musste in Zusammenarbeit mit anderen Wiener Forschungsgruppen erst eine neue Massenspektrometrie-Methode entwickelt werden.

Für den IMP-Doktoranden Jakob Fuhrmann, Erstautor der Publikation, ergeben sich aus der Arbeit spannende Zukunftsperspektiven. "Der neue und seltene Signalweg könnte medizinisch interessant werden, etwa als Angriffsziel für spezifisch wirkende Antibiotika", erläutert Fuhrmann. Immerhin sind Krankheitserreger wie Staphylokokken und Listerien enge Verwandte des untersuchten Mikroorganismus und besitzen die gleichen Stressgene.

In einem nächsten Schritt wollen die IMP-Forscher nun untersuchen, ob strukturell ähnliche Arginin-Proteinkinasen auch beim Menschen vorkommen. Die bislang entdeckten, im Menschen vorkommenden Proteinkinasen setzen hauptsächlich Serin, Threonin oder Tyrosin um. Sollte die entdeckte Kinase exklusiv zur Ausstattung von Mikroorganismen zählen, wäre eine Intervention mit Medikamenten besonders gezielt und nebenwirkungsarm.

Quelle:

McsB Is a Protein Arginine Kinase That Phosphorylates and Inhibits the Heat-Shock Regulator CtsR
J. Fuhrmann, et. al., Science 2009, DOI: 10.1126/science.1170088

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Bakterielle Arginin-Kinase könnte sich als Zielstruktur für Antibiotika-Entwicklung eignen
(URL: https://www.organische-chemie.ch/chemie/2009jun/signalweg.shtm)

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