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19.03.09 Entstehung spezifischer Zucker-Signale an fehlerhaften Proteinen erforscht

Süsse Signale

Weisen falsch gefaltete Proteine, die für den Export oder die Zellmembran bestimmt sind, auf ihrer Oberfläche einen bestimmten Zucker auf, dann werden sie abgebaut. ETH-Forscher konnten zeigen, dass das Protein Htm1 eine Zuckerkette auf den defekten Proteinen zum Abbausignal trimmt und damit zum Überleben der Zellen beiträgt.

Christoph Meier (ETHZ)

Abb. 1: Enstehung eines «süssen» Abbausignals: Das Htm1 Protein schneidet ein Mannose-Rest (grün) von einem Mehrfachzucker ab. Dabei entsteht ein neuer, endständiger Zucker (eingerahmt), der vom Yo9 Protein erkannt wird.
Quelle: ETH Life

Biologische Systeme sind so angelegt, dass Wachstum auch den Abbau von defekten oder nicht mehr benötigten Strukturen umfasst. Eine gewisse Berühmtheit erlangte die biologische Entsorgung durch die Verleihung des Nobelpreises für Medizin 2004 an Forscher, welche die Grundlagen des Abbaumoleküls Ubiquitin entdeckten.

Doch diese bekannte «Abfallmarke» ist nur eines der Signale im ausgeklügelten Kontroll- und Abbausystems der Zellen. Eine Vielzahl von verschiedenen Proteinen, die für den Export oder die Membran bestimmt sind, wird in der Zellstruktur des endoplasmatischen Retikulums gebildet und enthalten Zucker, sind also Glykoproteine. Auch diese Proteine werden auf ihre korrekte Faltung hin überprüft. Die Information über den Faltungszustand jedes einzelnen Proteins über eine veränderte Struktur liegt in den Zuckerketten . Die Mikrobiologen der Arbeitsgruppe von Professor Markus Aebi konnten nun zeigen, wie das Zuckersignal «falsch gefaltetes Protein» aussieht, wie es gebildet wird und wer dieses Signal interpretieren kann.

Wer erzeugt das Zucker-Signal?

Zum Apparat für die Qualitätskontrolle im endoplasmatischen Retikulum gehört ein ganzes Arsenal an Proteinen. Unter ihnen ist auch das Htm1-Protein, dessen spezifische Aufgabe bisher nicht geklärt werden konnte. Aufgrund seiner Sequenz versprach es, ein Protein zu sein, das möglicherweise Mannosidase-Aktivität besitzt. Solche Enzyme können Mannose, einen Einfachzucker, von Zuckerketten schneiden. Das ist von Bedeutung, da man weiss, dass das Abbausignal für falsch gefaltete Proteine aus einem Mehrfachzucker mit mehreren Mannosen besteht. Doch bislang konnte niemand die Mannosidase-Funktion für Htm1 nachweisen.

Um der Funktion von Htm1 auf die Schliche zu kommen, brachten die ETH-Wissenschaftler Hefe-Zellen dazu, das Protein im Überschuss zu produzieren. Danach wurden die an Proteine gebundenen Zucker untersucht und tatsächlich: Eine neue, um einen Zuckerrest verkürzte Zuckerstruktur konnte in diesen Zellen festgestellt werden. Indem die Forscher ein bestimmte Versuchsanordnung wählten, die Aufschluss über die Geschwindigkeit einer Reaktion geben kann, konnten sie zudem zeigen, dass das Abschneiden der Mannose rascher erfolgt, wenn Htm1 in höherer Konzentration vorkommt. Dies sprach dafür, dass Htm1 einen Mannose-Baustein abschneiden kann.

Am «Modellabfall» geprüft

Indem sie verschiedene Mehrfachzuckervarianten - die Zuckerchemie ist besonders komplex, da Mehrfachzucker verzweigen können - vor und nach der Prozessierung mit Htm1 analysierten, konnten die Forscher die exakte Ausgangs- und Produkteform des durch Htm1 verarbeiteten Mehrfachzuckers bestimmen. Sie demonstrierten auch, dass die Prozessierung des Mehrfachzuckers durch Htm1 für den Abbau eines falsch gefalteten Modellproteins, CPY*, nötig ist. Dieses Protein dient als «Modellabfall», um den Abbaumechanismus im endoplasmatischen Retikulum zu studieren. Doch wie erkennt das Htm1-Enzym, dass ein Protein falsch gefaltet ist und deshalb abgebaut werden muss? Die Resultate der ETH-Arbeitsgruppe deuten darauf hin, dass dies in Zusammenarbeit mit einem anderen Protein, PDI, erfolgt, das direkt an der Faltung von Proteinen beteiligt ist. PDI scheint falsch gefaltete Proteine zu erkennen und Htm1 setzt diese Information in ein Zuckersignal um, das mit diesem Protein verknüpft ist.

Wer aber kann wiederum dieses Signal interpretieren? Wer erkennt Proteine mit diesem Signal und führt sie der Abfallentsorgung zu? Diese Aufgabe wird durch ein Protein, Yos9, übernommen, das ganz gezielt den von Htm1 generierten Zucker bindet. Und Yos9 ist ein Bestandteil der «Abbauplattform», die den Transport und den Abbau von Proteinen in der Zelle übernimmt, wie die Zürcher Forscher zeigen konnten.

Lebensnotwendige Abfallmaschinerie besser verstanden

Dass das Modell der zellulären «Abfallentsorgung» von Glykoproteinen noch nicht vollständig ausgereift ist, weiss auch Markus Aebi. Er möchte darum in weiteren Studien herausfinden, wie denn die Abbaumaschinerie genau feststellt, wann ein Protein falsch gefaltet ist. Weitere Klarheit wünscht er sich auch darüber, wie es Htm1 schafft, seine Zuckerabschneidaktivität auf das Abbausignal zu beschränken. «Wir arbeiten dabei mit dem Modellsystem Hefe, doch weil die von uns untersuchten Vorgänge in der menschlichen Zelle gleich ablaufen, erhalten wir auch Informationen zu fehlerhaftem Proteinabbau bei Erbkrankheiten, wie zum Beispiel der Cystischen Fibrose», erläutert Aebi. Zucker werden offenbar häufig für die Informationsübertragung innerhalb und ausserhalb der Zelle verwendet, «doch wir beginnen erst jetzt, die Syntax dieses „Glyko-Codes“ zu entschlüsseln».

Quelle

ETH Life

Htm1 protein generates the N-glycan signal for glycoprotein degradation in the endoplasmic reticulum
S. Clerc, et. al., J. Cell Biol. 2009. DOI: 10.1083/jcb.200809198

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Entstehung spezifischer Zucker-Signale an fehlerhaften Proteinen erforscht
(URL: https://www.organische-chemie.ch/chemie/2009mae/zuckershtm)

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