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19.05.10 Tausende von Startpunkten für die Leitstruktursuche im Kampf gegen Malaria

GSK beschleunigt Entwicklung von antimalarischen Wirkstoffen

Pharmafirma screent 2 Mio chemische Verbindungen und stellt Datenbank mit Informationen zu 13'533 antimalarischen Wirkstoffen ins Internet

Eine Abteilung von GlaxoSmithKline im "Tres Cantos Medicines Development Campus" in Spanien screent zur Zeit Mio. von Verbindungen auf antimalarische Aktivität und stellt eine umfangreiche Datenbank mit Wirkstoffkandidaten ins Internet

Abb. 1: Die Verbindungen lassen sich bequem nach Struktur und ihrer Aktivität suchen
Quelle: European Bioinformatics Institute, http://www.ebi.ac.uk/chemblntd/

Die Entwicklung von neuen, antimalarischen Wirkstoffen wurde in den letzten Jahren von der pharmazeutischen Industrie nicht ernsthaft verfolgt. Doch die Zeit drängt, der Erreger entwickelt ständig Resistenzen gegenüber bekannten Wirkstoffen und kann nicht unter Kontrolle gebracht werden. Bisherige Programme der WHO, die mittels Forschungsförderung die Entwicklung beschleunigen sollten, brachten aber wenig Resultate, denn oftmals fehlen nötige Grundlagen, wie z.B. eine grosse Molekülbibliothek, mit derer Hilfe nach Leitstrukturen gegen bekannte molekulare Ziele - also parasitäre Proteine - gesucht werden kann.

Hier sind die Pharmafirmen im Vorteil: sie haben Millionen an Verbindungen bereits vorliegen, Leitsubstanzen sind vergleichsweise schnell gefunden. Gescheut wird vermutlich eher die kostenintensive Verbesserung der Leitstruktur, was einige Synthesearbeit verlangt und das nachfolgende, Test- und Zulassungsverfahren, bis der Wirkstoff als Medikament auf den Markt kommen kann. Auf einen Markt, der mehrheitlich in Entwicklungsländern liegt.

GSK beschleunigt nun die Wirkstoffsuche, da sie eine Bibliothek von 2 Mio Verbindungen relativ einfach screent und Informationen zu den potentesten Verbindungen ins Internet stellt. Die Weiterentwicklung bis hin zu effektiven Medikamenten müsste aber immer noch durch private Initiativen finanziert werden. Doch die Arbeit, die in die Synthese der nun getesteten Verbindungen gesteckt wurde und die publizierten Testergebnisse, die der Allgemeinheit zugänglich gemacht wurden, verringern die Kosten extrem. Laut dem GSK-Forscher Jose Francisco Garcia-Bustos - der eine Gruppe persönlich sehr engagierter Forscher bei GSK führt - ist die ganze Aktion keinesfalls als reine PR zu sehen: es ist eine ehrliche Geste, allen zu helfen, die sich mit Wirkstoffforschung gegen Malaria beschäftigen.

Abb. 2: Mit Hilfe einer einfachen Screening-Methode kann die Aktivität der Wirkstoffe gegen den Parasiten gemessen werden.
Quelle: Jose Francisco Garcia-Bustos, GSK Tres Cantos Medicines Development Campus, Nature

Für das eigentliche Screening werden Plates mit standardisierten Lösungen von Parasiten beimpft, zu denen dann die Wirkstoffe (in Standard-Lösungen) gegeben werden. Eine Konzentration von 2 µM der zu testenden Verbindungen stellt sicher, dass nur Wirkstoffe erkannt werden, die sehr spezifisch auf wenige Ziele wirken und nicht allgemein cytotoxisch sind, was in einem nachfolgenden Leberzellen-Tox-Test bei 10 µM aber trotzdem bestätigt wird. Im "in vitro"-Test mit den Parasiten wird nach einer Inkubationszeit von 72 h die Plate schockgefroren, und nach dem Auftauen die Aktivität der Laktat-Dehydrogenase (LDH) - also eines Parasiten-Enzyms - als indirekten Marker gemessen. Je mehr Parasiten schon vor Ablauf der 72 h Stunden abgestorben sind, desto weniger aktives LDH lässt sich feststellen.

Abb. 3: Eine Biosicherheitszelle mit bereitliegenden Screeningplates, die demnächst mit der Parasitenkultur beimpft werden
Quelle: Jose Francisco Garcia-Bustos, GSK Tres Cantos Medicines Development Campus

Schliesslich erhielt man 13'533 Verbindungen, die bei einer Konzentration von 2µM fähig  sind, das Wachstum des Parasiten um mehr als 80% zu hemmen. Diese Verbindungen wurden dann in der frei zugänglichen Datenbank hinterlegt. Aber für die Weiterentwicklung ausgesuchter Wirkstoffe, wäre die Kenntnis nützlich, an welcher Zielstruktur sie nun wirken. Jose Francisco Garcia-Bustos bestätigt, dass künftig auch gegen spezifische Erreger-Enzyme getestet wird, und von anderen Arbeitsgruppen bereits entwickelte Testverfahren gerne in Anspruch genommen werden. Substanzen können aber nur ausnahmsweise zur Verfügung gestellt werden.

Doch die Datenbank hält eine Überraschung in Petto, die man GSK wirklich gross anrechnen kann: sie enthält nämlich Informationen, auf welches humane Ziel der Wirkstoff entwickelt wurde. Denn wenn sich eine Forschungsgruppe z.B. auf antimalarische Wirkstoffe gegen Aspartylproteasen spezialisiert hat, so kann sie unter Umständen bereits jetzt wertvolle Strukturen unter dem entsprechenden Suchkriterium in der Datenbank finden, auch wenn die Wirkstoffe primär auf ein menschliches Ziel optimiert wurden. Bei interessanten Funden muss sie entweder die Strukturen nachsynthetisieren oder aber mit den Forschern von GSK in Kontakt treten und Kooperationsmöglichkeiten ausloten.

Die Wirkstoffe in der Datenbank sind sozusagen Nebenprodukte der GSK-Forschung: also Substanzen, die sich im Verlauf der Entwicklung nicht als geeignete Kandidaten für irgendein interessantes Target im Menschen herausgestellt haben. Dies könnte im Prinzip auch bedeuten, dass die Substanzen im Menschen eher wenig Nebenwirkungen hervorrufen. Aber GSK-Forscher betonen, dass die strukturelle Variabilität der Bibliothek hoch ist, und ein enormer chemischer Raum (chemical Space) abgedeckt wird. Daher könnten einige neue, strukturelle Ideen auf Forscher warten, die bereits jetzt in der Datenbank zu finden sind.

Quelle:

Thousands of chemical starting points for antimalarial lead identification
F.-J. Gamo, et. al., Nature 2010, DOI: 10.1038/nature09107

Bitte zitieren Sie die Seite wie folgt:

Tausende von Startpunkten für die Leitstruktursuche im Kampf gegen Malaria
(URL: https://www.organische-chemie.ch/chemie/2010/mai/antimalarische-wirkstoffe.shtm)

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