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22.09.10 Hemmung eines Wasserstoffperoxid-produzierenden Enzyms könnte Schlaganfalltherapie verbessern

NOX4: mögliches Ziel wirkstoffbasierter Therapien bei Schlaganfall

Für den Tod von Nervenzellen nach einem Schlaganfall ist unter anderem die H2O2-produzierende NADPH-Oxidase 4 (NOX4) verantwortlich

Wissenschaftler der Universitäten Maastricht und Würzburg bieten dank Ihrer Forschung an NOX4 neue Perspektiven für die Therapie mehrerer Krankheiten. Dieses Enzym produziert Wasserstoff-Peroxid - ein aggressives Molekül, das zum Beispiel als Bleich- oder Desinfektionsmittel verwendet wird. Als die Wissenschaftler das Protein im Tiermodell mit einem neuartigen Wirkstoff inhibierten, fielen die Gehirnschäden nach einem Schlaganfall drastisch geringer aus – selbst wenn der Hemmstoff erst Stunden nach dem Schlaganfall verabreicht wurde.

Abb. 1: NOX4-Hemmstoff, der im Tierversuch Folgeschäden bei einem Schlaganfall drastisch minderte
Quelle: Harald Schmidt, Universität Maastricht

Das deutsch-niederländische Forschungsteams berichtet darüber in der neuen Ausgabe des renommierten Fachblatts Public Library of Science Biology (PLoS Biology). Leiter des Teams sind der Pharmakologe Harald Schmidt (Universität Maastricht) und der Schlaganfall-Forscher Christoph Kleinschnitz von der Neurologischen Klinik der Universität Würzburg.

Bessere Therapien gegen Schlaganfall nötig

Schlaganfälle, die durch eine mangelnde Durchblutung des Gehirns ausgelöst werden, sind weltweit die zweithäufigste Todesursache. Wer sie überlebt, trägt oft bleibende Schäden davon, wie Lähmungen oder Sprechstörungen.

Christoph Kleinschnitz: „Bislang gibt es nur eine Therapie, deren Wirksamkeit allerdings relativ mäßig ist. Sie eignet sich auch nur für rund zehn Prozent der Schlaganfall-Patienten. Dabei werden Blutgerinnsel im Gehirn aufgelöst, um die Mangeldurchblutung zu beseitigen, jedoch mit dem Risiko von Hirnblutungen.“

Abb. 2: Aggressive Sauerstoff-Verbindungen (rot) – dazu gehört auch Wasserstoff-Peroxid – in den Gehirnen von Mäusen nach einem Schlaganfall. Links unbehandelt, rechts kurz nach dem Schlaganfall mit einer Substanz behandelt, die das Enzym NOX4 hemmt.
Quelle: Christoph Kleinschnitz, Universität Würzburg

Produktion von Wasserstoff-Peroxid verhindern

Neue Therapien seien also dringend nötig. Das Wasserstoff-Peroxid, das nach einem Schlaganfall entsteht, biete dafür einen guten Ansatzpunkt. Alle Versuche, die Wirkung des aggressiven Moleküls durch Antioxidantien zu unterbinden, seien bislang gescheitert. „Wir zeigen jetzt aber einen ganz neuen Weg auf, weil wir das Übel an der Wurzel packen und das Enzym NOX4 direkt ausschalten können“, so Kleinschnitz.

Das Ausschalten des Gens für NOX4 hat bei Mäusen keine abnormen Änderungen ausgelöst, wie die Forscher der Deutschen Mausklinik am Helmholtz-Zentrum in München festgestellt haben. Diese Beobachtung könnte für die zukünftige Entwicklung nebenwirkungsarmer NOX4-Hemmstoffe wichtig sein.

Impulse für die Therapie anderer Krankheiten

Wasserstoff-Peroxid und mit ihm verwandte Moleküle spielen vermutlich auch bei anderen Krankheiten eine wichtige Rolle: Herzinfarkt, Krebs, Parkinson- und Alzheimer-Krankheit. Bei all diesen Leiden haben antioxidative Therapieversuche bislang ebenso versagt wie beim Schlaganfall. Von den neuen Erkenntnissen erwartet Harald Schmidt darum auch Impulse für die Therapie dieser Erkrankungen.

Bis zur Anwendung an Patienten ist der Weg aber noch weit. Zunächst einmal müssen die Wissenschaftler die Ergebnisse in anderen Krankheitsmodellen bestätigen und den Wirkstoff als Arzneimittel weiterentwickeln.

Quelle:

Post-Stroke Inhibition of Induced NADPH Oxidase Type 4 Prevents Oxidative Stress and Neurodegeneration
C. Kleinschnitz,, et. al., PLoS Biol 2010. DOI: 10.1371/journal.pbio.1000479

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Hemmung eines Wasserstoffperoxid-produzierenden Enzyms könnte Schlaganfalltherapie verbessern
(URL: https://www.organische-chemie.ch/chemie/2010/sep/schlaganfall.shtm)

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