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13.01.13 Jagaricin als Leitsubstanz in der Antimykotikum-Entwicklung

Vom fauligen Pilz zum Therapeutikum?

Faulende Champignons bringen Forscher auf die Spur eines neuen Antimykotikums

Nassfäule verursacht hohe Schäden in der Landwirtschaft, indem sie Obst, Gemüse und Kulturpilze in matschigen Brei verwandelt. Bei Zuchtchampignons ist der Erreger inzwischen als Janthinobacterium agaricidamnosum identifiziert. Ein Forscherteam um Christian Hertweck vom Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie in Jena hat mithilfe bildgebender Massenspektrometrie, genetischen und bioinformatischen Methoden nun die Substanz entdeckt, mit der die Bakterien die Pilze zersetzen. Der Jagaricin getaufte Wirkstoff könnte ein Ansatzpunkt für die Entwicklung neuer Antimykotika sein.

Abb. 1: Strukturmodell des neu entdeckten Wirkstoffes Jagaricin
Quelle:Christian Hertweck, Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie - Hans-Knöll-Institut (HKI)

Ein mit Nassfäule befallener Champignon entwickelt typische Flecken, später wird der Pilz regelrecht aufgelöst. Das Team um Christian Hertweck vom Hans-Knöll-Institut in Jena wollte wissen, welche bakterielle Verbindung dafür verantwortlich ist, um die Pathobiologie des Erregers besser zu verstehen und Angriffspunkte für Gegenmaßnahmen zu finden. Wenn die Nassfäule-Bakterien ein Mittel produzieren, das Ständerpilze angreift, so eine weitere Überlegung, könnte dieses auch gegen Pilze helfen, die bei Menschen gefährliche Infektionen auslösen.

Die Herausforderung bestand darin, nach einer unbekannten Substanz zu suchen, die die Bakterien nicht unter Standard-Kulturbedingungen produzieren, sondern erst, wenn sie einen Pilz befallen. Hertweck und seine Kollegen nutzten eine als „Genome Mining“ bezeichnete Methode: Sie sequenzierten das Genom der Bakterien, durchsuchten es nach einschlägigen Biosynthesegenen und machten mithilfe bioinformatischer Methoden Voraussagen über die zu erwartenden Metabolitstrukturen. Die Forscher fanden einen als jag bezeichneten Genabschnitt, der für den Biosyntheseapparat des gesuchten Stoffes codieren könnte. Um dessen Bildung anzuregen, impften sie Scheiben von Champignons mit dem Bakterium und untersuchten die entstehenden fauligen Stellen mithilfe bildgebender Massenspektrometrie. Dabei wird von der zu analysierenden Fläche Punkt für Punkt ein Massenspektrum aufgenommen. Die Forscher identifizierten einen Massenpeak, der nur auf befallenen Stellen auftritt. Durch Zugabe von Pilzstückchen und ein spezielles Nährmedium gelang es dann, die zugehörige Verbindung auch in flüssiger Zellkultur in größerer Menge zu gewinnen und zu isolieren.

Die Struktur von Jagaricin - so wurde die Verbindung getauft - konnte mithilfe physikochemischer Analysen, chemischer Derivatisierung und Bioinformatik vollständig aufgeklärt werden. Es handelt sich um ein neuartiges Lipopeptid mit ungewöhnlicher Struktur. Reines Jagaricin rief bei Pilzen die Symptome der Nassfäule hervor. Die Forscher züchteten Bakterien mit nicht funktionstüchtigen jag-Genen. Diese Mutanten riefen keine Nassfäule hervor.

Die Forscher konnten zudem zeigen, dass Jagaricin gegen Candida albicans, Aspergillus fumigatus und Aspergillus terreus wirksam ist, Erreger von humanen Pilzerkrankungen. Vielleicht könnte Jagaricin ein Ansatzpunkt für ein neues Antimykotikum sein.

Quelle:

Imaging mass spectrometry and genome mining reveal highly antifungal virulence factor of mushroom soft rot pathogen
K. Graupner, et. al., Angew. Chem. Int. Ed. 2012. DOI: 10.1002/anie.201206658

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Jagaricin als Leitsubstanz in der Antimykotikum-Entwicklung
(URL: https://www.organische-chemie.ch/chemie/2013/jan/jagaricin.shtm)

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